Freitag, 9. November 2018

9. November 2018 - Mein Hunde-Sohn Robin - 27. Teil


Meine Mutter und ihr Bienchen

In 2010 kommt zusammen, was heute zusammen gehört. Wir müssen die Malteser-Hündin Bienchen zu uns nehmen.

Viele Jahre zuvor waren meine Eltern von Dortmund an die Mosel "ausgewandert". Man kann schon vom Auswandern sprechen, denn die Mentalität ist eine andere als im Ruhrgebiet. Doch mein Vater bekam wegen eines Lungenemphysems dort einfach besser Luft als im Ruhrpott. Ihn allein hätte man ohnehin überall "hin stellen" können - er kam zurecht. Leider starb er bereits 1994.

Meine Mutter (sie kam weniger gut zurecht), mit der mich gute und auch schlechte Zeiten verbunden haben, wollte jedoch nach seinem Tod nicht zurück ziehen, obwohl ich sie darum gebeten habe. Geradezu störrisch wurde sie, als ich ihr sogar eine Wohnung (fast sicher) besorgt hatte.

Im Juni 2010 bekam ich den Anruf, dass meine Mutter schwer erkrankt im Klinikum Mittelmosel in Zell lag. Also düste ich per Zug mit Robin dorthin. Paul, ihr Sohn-Ersatz und etwa so alt wie ich, holte uns am Bahnhof ab - und wir gingen zunächst in ihre Wohnung.

Dort wartete die Malteser-Hündin "Bienchen" auf die Rückkehr meiner Mutter, und ich habe noch nie so viel Sehnsucht und Trauer in den Augen eines Lebewesens gesehen. Lediglich der Anblick von Paul - den sie gut kannte - und Robin

ließ sie kurz ein glückliches Zungen-Schnalzen (= Lächeln) zeigen. Sie führte Robin durch ihr "Reich", und ging dabei sehr aufrecht und sehr stolz. Mich beachtete sie gar nicht.

Wir kannten uns auch nicht. Das ist jedoch eine andere Geschichte.

Als wir Bienchen verließen, legte sie sich sofort wieder hinter die Glas-Eingangs-Tür (an der wir sie auch beim Kommen gesehen hatten) und schaute uns wehmütig hinterher.

Dieser Blick hat sich in meinen Kopf eingebrannt. Ich denke, an meinem Lebensende wird dies das Letzte sein, an das ich denken werde ...

Leider konnte ich Bienchen nicht mit ins Hotel in Zell a. d. Mosel nehmen, da ich sie ohne Not in keine fremde Umgebung bringen wollte. Robin und ich bezogen ein Zimmer im Hotel Schloss Zell


Natürlich hätte ich in der Wohnung meiner Mutter bleiben können - aber es war mir insgesamt ein bisschen zu umständlich. Und da wir zwischen den Besuchen viel Freizeit hatten, erschien mit Zell wesentlich attraktiver.

Als ich meine Mutter am selben Tag wiedersah, war es wie immer: Nach ihrer und meiner Freude vergingen keine fünf Minuten - und schon waren wir uns über irgendetwas uneinig.

Mit der Zeit wurde es jedoch friedlicher zwischen Mutter und Tochter. Da lag dieses ostpreußische Mädchen, das einst durch Flucht nach Dortmund gekommen war und sich nun in der - wie sie es immer nannte - kalten Heimat befand. Ihre größte Sorge galt jedoch nicht ihr selber und ihren diversen Krankheiten, von denen mir ihr Arzt erzählte, sondern

der Hündin Bienchen (Foto: Kurz vor ihrer Erkrankung mit Bienchen)

Wir blieben, bis sie eine Woche später zur besseren Versorgung ins Mutterhaus der Borromäerinnen Trier verlegt wurde.

Auf ihren ausdrücklichen Wunsch hatte ich Bienchen mit im "Gepäck", vorher brachte Paul sie zu mir zum Hotel und fuhr uns zum Bahnhof Bullay.

Als er sie in meine Hundetasche setzen wollte, klammerte sie sich wie eine Ertrinkende an den letzten Strohhalm an Paul - sie wusste es schließlich nicht besser: Ihn kannte sie gut, ihm vertraute sie -

obwohl er sie in der Zwischenzeit zwar versorgt und auch jeweils kurz ausgeführt hatte, jedoch nicht zu sich in seine Wohnung genommen hatte. Das wäre sehr gut möglich gewesen, und Paul und meine Mutter standen sich für solch einen Liebesdienst auch nahe genug ... Überhaupt war Bienchens Einschätzung gegenüber Paul eine völlig falsche. Auch Hunde können irren.

Dieser traurige Anblick der kleinen, dicken Hündin, die um keinen Preis der Welt mit mir mitkommen wollte, verfolgt mich bis heute.

In 2010 stand der Unheilig-Song "Geboren um zu leben" in den Charts ganz oben. Und einen letzten Willen Überlebenskunst brachte vermutlich auch Bienchen auf, als sie gezwungen wurde, mit uns zu kommen.

Einen Monat, nachdem ich Bienchen mitgenommen hatte, starb meine Mutter am 19. Juli 2010 im Alter von 80 Jahren in Trier. Sie konnte beruhigt einschlafen, denn sie wusste Bienchen in guten Händen (ihre eigenen Worte).

Nur ... Bienchen ... wusste das leider noch eine ganze Weile nicht ...


Fortsetzung folgt ...

Nächste Folge: Bienchen wird ins Ruhrgebiet verschleppt

Copyright Silvia Gehrmann


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen