Freitag, 1. März 2019

1. März 2019 - Der Angeber


Der Angeber

Bevor er in die Jahre kam, war er ein sehr schöner Kerl, aber selbstbewusst bis in den Himmel. Doch neben der Tatsache, sich seiner Selbst mehr als bewusst zu sein, war er zudem noch regelrecht größenwahnsinnig. Ohne Scheu stutzte er Vorbeigehende einfach mal auf ein Häufchen Elend zusammen - und ging voller Erfolgsfreude weiter seiner Wege. An der nächsten Ecke machte er dann einer Jungen ordentlich Komplimente. In Bus und Bahn suchte er sich stets - wenn möglich - junge Frauen aus, mit denen er Kontakt aufnehmen konnte. Obwohl er sich derart vor- und in ihr Leben drängte, war niemand ihm am Ende wirklich böse. Niemand schrie nach einer MeToo-Bewegung, obwohl seine öffentlichen Avancen schon ziemlich eindeutig aufs Streicheln hinaus liefen.

Als er ein bisschen älter wurde, durften es auch schon mal ein wenig ältere Frauen sein, denen er seine volle Aufmerksamkeit schenkte. Bus- und Bahnfahren findet er einfach langweilig - da muss ein bisschen Unterhaltung her. Zumindest hat er ein gutes Gedächtnis - er erkennt alle Frauen wieder, die ihm mal die Zeit vertrieben haben.

Draußen geniert er sich nicht, ein Wildpinkler zu sein - zumindest spuckt er nicht permanent auf die Straße. Man muss sich auch über unterlassene Kleinigkeiten freuen können. Und kommt ein alter Bekannter ihm entgegen, so wird dieser freundlich begrüßt. Kalt und heiß kann einem werden, wenn man sieht, wie er sich den Leuten anbiedert, die er von wer weiß woher kennt. Er kennt viele Leute, und er vergisst niemals einen einzigen davon.

In der freien Wildbahn wird er zum großartigen Helden, und auf seiner Lieblings-Couch ist er im Anschluss an die Heldentaten ziemlich müde.

Er erfreut sich täglich seines Lebens und fragt nicht, was die Welt kostet - sie gehört ihm einfach. Nach und nach hat er sie sich erobert und fühlt sich in ihr als gleichberechtigter Passant unter vielen, wenn er auch meistens

mehr von sich selber als von anderen hält. Das liegt in seiner Natur, und niemand konnte und wollte es dem Kerl austreiben. Die Leute auf den Straßen sehen ihm hinterher, wenn er an ihnen vorbei geht. Manche sogar wehmütig. So viel Mut macht jedem Mut!

Und er geht stetig weiter und voran, denn an der nächsten Ecke, im nächsten Stündchen wartet das nächste Abenteuer. Er lässt keine Abenteuer aus, denn die sind sein ganzer Lebensinhalt.

Zwischendurch hockt er sich zu einer Mahlzeit hin und meckert niemals an dem, was man ihm vorsetzt. Er ist nicht verfressen in dem Sinn von Hinunterschlingen, aber verfressen aufs Leben an und für sich.

Nur wenn er träumt, und das ist offensichtlich, dass er viel träumt ... dann sehe ich ihm dabei zu und frage mich, wovon

mag er nur träumen? Von seinen Abenteuern? Den Gelegenheiten, die sich ihm boten und jene, die er verpasst hat?

Von dem Rivalen, der um einiges größer und stärker als er selber ist - und den er im Schlaf so richtig vermöbelt?

Von der scheuen Freundin, die diesen betörenden Duft verströmt?

Ich rufe ihn, und sofort springt er auf, und wir machen uns auf den nächsten Weg durch die Weltgeschichte,

mein

Robin Hund und ich.


Guten Tag, Gruß Silvia






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