Eine Kurzgeschichte in 24 Türchen
24. Türchen
Das Hotel im Schneesturm
"Nein, ich bin nicht Roland, mein Name ist Peter", sagte der alte Mann, den alle bislang nur als Weihnachtsmann gekannt hatten, "ich hoffe, du bist nicht allzu traurig."
Mary schüttelte den Kopf. Wie konnte sie traurig sein über die besten Begegnungen ihres Lebens?
Ronny
Lisa und ich sind dort, wo Leute sind, wenn sie wie wir älter als 100 Jahre sind. Den genauen Ort muss jedoch niemand kennen, und ich möchte ihn auch nicht beschreiben.
In unser beider Leben haben wir oft das Menschliche unter unserer Haut vergessen und uns nicht immer im Sinne der Nächstenliebe verhalten. Das dürfen wir nun nachholen. Und wir machen es gerne, denn wenn wir es erfolgreich nachholen - dürfen wir genau dort bleiben, wo wir jetzt sind. Hier ist es so schön ...
Vor einem Jahr haben wir fünf Menschen und vielleicht sogar noch einen sechsten, den Weihnachtsmann, auf den Weg ins Glück geschickt. Unser diesjährige Aufgabe ist eine andere, aber es ist uns nicht erlaubt, darüber sprechen.
Peter nahm Marys Hand, und es fiel ihm recht schwer, auszudrücken, was er jetzt sagen musste, aber er wollte, dass sie es wusste:
"Roland war ein guter Freund von mir. Manchmal fügen sich die Dinge ineinander wie ein Puzzle, muss ich wohl sagen. Ich hätte nie gedacht, dass ich "seine Kleine" je kennen lernen werde. Ich habe dich aufgrund der Fotos erkannt, die er mir von dir gezeigt hat - und an deinen Grübchen. - Aber leider lebt Roland nicht mehr. Er ist schon vor zehn Jahren verstorben."
Mary nickte. Sie war in diesem Augenblick demütig und demütig vor dem, was ihnen widerfahren war. Traurig fühlte sie sich nicht, aber erleichtert, noch einmal von Roland zu hören - wenn es auch keine guten Nachrichten waren, so waren es dennoch Nachrichten.
Peter
Ich weiß nicht, wie ich in diese Geschichte hineingeraten bin, aber es musste geschehen wie es dann geschah. Vor einem Jahr engagierte mich jemand als Weihnachtsmann - ich wurde abgeholt, und ich sah überhaupt nicht, wohin man mich mit einem Auto fuhr, so dicht war der Schneesturm. Ein bisschen mulmig war mir dabei, aber in meinem Alter regiert nicht mehr die Angst. Das lange geschlossene Hotel hatte ich nie von innen gesehen ...
und ich nahm es wie einen Job, auch, wenn es dann viel mehr wurde. Sonst bespaßte ich an diesem Tag viele Kinder, aber wetterbedingt konnte ich sie nicht besuchen. Nun gut, dann erfreue ich eben ein paar Erwachsene, die vielleicht an ihre Kindheit erinnert wurden.
Sie, Mary, fiel mir sofort auf. Roland hatte manchmal von ihr erzählt, mir Fotos gezeigt. Sie war älter geworden, aber ich erkannte sie dennoch sofort ...
In diesem Jahr zog es mich - und zum Glück gab es keinen Schneesturm, der mir einen Strich durch die Rechnung machen konnte - zurück zu dem alten, verlassenen Hotel. Ich ahnte ... oder hoffte vielmehr, dass die fünf Menschen, nicht nur Mary, zurückkehren würden ... und hatte in meinem Haus
alles für sie vorbereitet.
So verbrachten sie einen weiteren Heiligabend miteinander. Niemand war auf der Suche nach Erklärungen für all das, was passiert war. Sie wussten, dass jemand seine Hand im Spiel hatte, der ausgerechnet die richtigen Menschen zueinander geführt hatte. Man vergaß das Überirdische und gab sich den irdischen Freuden hin.
Lotte würde vielleicht im nächsten Jahr nach München in die Nähe ihrer Schwiegereltern ziehen, ohne das enge Band zu den Freunden zu verlieren. Sie waren sich immer nah, auch dann, wenn sie sich nicht sahen. Die sozialen Medien und die vielen Kommunikationsmöglichkeiten hatten eben auch ihre guten Seiten.
Markus war zwar ein wenig in Klaas verliebt, aber dieser empfand nicht mehr als eine tiefe Freundschaft für ihn. Am Ende war das sogar die bessere Variante. Freundschaften hatten oft ein Leben lang Bestand, während die Liebe schneller vergehen konnte als man gucken konnte.
Harry fühlte sich als großer Gewinner des vorjährigen Heiligabend-Dienstes im Auftrag der Deutschen Bahn. Doch fortan mussten seine Kollegen sich darauf einstellen, dass er nicht jede unbeliebte Schicht übernahm. Zuviel war im letzten Jahr in seinem Leben passiert, und viel würde er auch im kommenden wieder mit seinen besten Freunden erleben.
Mary war ohnehin selig. Fast sah es so aus, dass sich zwischen ihr und Peter etwas anbahnen könnte - ein Glück auf beider alten Tage gönnten die Freunde ihr, und sie würden den beiden sicherlich hier und da einen nötigen Stups geben.
Ronny und Lisa zeigten einander einen riesigen Daumen hoch an: sie hatten es geschafft und wieder ein Stück weit ihrer irdischen Sünden abgebaut. Wo immer sie auch sind, sie haben es sich bestimmt verdient, dass sie dort bleiben dürfen.
Einen schönen Heiligabend und ein besinnliches Weihnachtsfest wünschen Harry, Markus, Klaas, Lotte und Mary und auch Peter allen, die ihre Geschichte verfolgt haben.
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