Adventskalender 2020
Eine Kurzgeschichte in 24 Türchen
17. Türchen
Das Hotel im Schneesturm
Die Stimmung wurde stündlich gemütlicher, wenn auch ein wenig sentimental. Der Weihnachtsmann überreichte nun Klaas sein Geschenk. Mit der CD
Love is in the air von John Paul Young und dem Sinnspruch
Die größten Ereignisse - das sind nicht unsre lautesten, sondern unsre stillsten Stunden.
Friedrich Nietzsche (1844 - 1900),
fühlte er sich sehr gelungen beschenkt. Und Klaas war sicher, dass er mitten in einem der größten Ereignisse seines Lebens steckte. Er und all die anderen, die es neben ihm hierhin verschlagen hatte. Innerhalb weniger Stunden waren aus Fremden Freunde geworden, und das hätte er mit Fug und Recht behauptet und diese Behauptung jederzeit verteidigt. Das war etwas, was ganz selten bis nie geschah ... aber hier, an diesem Tag, diesem besonderen, passierte es. Schon jetzt war klar und abgemacht, dass man sich nicht wieder aus den Augen verlieren würde. Es spielte auch keine Rolle, dass nicht alle gleichaltrig waren oder einen ähnlichen beruflichen Hintergrund hatten. Sie passten zueinander, und er sah künftigen Treffen mit großer Freude entgegen.
Am meisten fühlte Klaas sich zu Markus hingezogen. Markus war Lokführer, während er selber Rechtsanwalt war. Vielleicht hatten sie nicht den gleichen Bildungshintergrund, aber ein tiefes Verstehen verband sie jetzt bereits. Auch die sexuelle Orientierung, die beide hatten, spielte keine Rolle - allein das Menschliche zählte.
Ronny nahm nun Klaas' CD, um sie in den Player zu legen. Das fröhliche Lied erklang und jeder der Anwesenden hatte zu der Liebe, die in der Luft hing,
eigene Interpretationen.
Mary spürte sie als Nächstenliebe untereinander. Für Lotte war sie ein Blick in die Zukunft. In eine Zukunft, von der sich diese als gegenwärtige Leistung erst einmal die Trauer um Paul erbat.
Markus wusste, dass er auch nach dem Verlust von Chris, der so lange sein Lebens-Partner gewesen war, wieder glücklich werden würde. Und Klaas ahnte, dass immer die Liebe in der Luft lag, man musste nur daran glauben und immer genau hinsehen.
Auch Harry fühlte sich endlich nicht mehr als der einsame Mann, der den Kollegen den Gefallen tat, anstatt ihrer an Feiertagen Dienst zu tun, weil er einfach nichts Besseres vorhatte. Er spürte eine unbekannte Wärme. Vielleicht war sie ihm auch nicht gänzlich unbekannt, aber zumindest lange verborgen geblieben.
Sie prosteten einander zu, während Ronny nun wieder Weihnachtslieder in den Player legte. Allerdings fehlte noch das Geschenk für Harry, und das kam nach einer kleinen Pause:
You are so beautiful von Joe Cocker mit dem rückseitigen Spruch:
Die starke Hoffnung ist ein viel größeres Stimulans des Lebens, als irgendein einzelnes wirklich eintretendes Glück.
Friedrich Nietzsche (1844 - 1900)
Harry hielt sein Geschenk sehr zufrieden in den Händen und ihm war klar, dass heute das Glück zu ihm gekommen war. Es war gekommen, weil vier andere Menschen in sein Leben getreten waren, die er sehr gern hatte. Zwar hatte er Markus bereits vorher gekannt, aber nur als Kollegen, nicht als der Freund, der er ihm an diesem Abend wurde. Früher waren sie grüßend und ein paar Belanglosigkeiten austauschend aneinander vorbei gegangen. Das war ein Fehler gewesen.
Ab nun würde alles anders werden.
Copyright Silvia Gehrmann
Fortsetzung folgt
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