Mittwoch, 2. Dezember 2020

2. Dezember 2020 - Adventskalender 2020: 2. Türchen: Das Hotel im Schneesturm

 
Foto: I. M.-S.

2. Türchen
Das Hotel im Schneesturm

Lotte - Fortsetzung

Die beiden klammerten vielleicht auch, weil Paul ihr einziges Kind gewesen war. Und ich ließ mich klammern, aber mein Eigennutz stand im eigentlichen Vordergrund. Irgendwann würden Armin und Rosalinde ein beachtliches Vermögen zu vergeben haben, und ich sah ein, dass mir das nicht einfach so in den Schoß fallen würde ... ich musste schon etwas dafür tun. Vielleicht dachte ich, je unlieber ich etwas dafür tat, um so verdienter wäre am Ende mein Lohn ... Und so machte ich mich an Ostern, zu ihrer beiden Geburtstage, die zum Glück innerhalb weniger Tage in den Juni fielen, zur Oktoberfestzeit und zu Weihnachten auf den Weg zu ihnen.

Jeweils feierten wir die Paul-Gedenktage ... voller erzählter Erinnerungen, angefüllt mit vielen Fotos von ihm, angefangen mit den allerersten, die gleich nach seiner Geburt aufgenommen wurden - und auf der Wiesn hoben wir unsere Gläser und jeder Toast ging auf Paul.

Manchmal hasste ich Paul posthum dafür. Manchmal wollte ich meine Pläne bezüglich einer großen Erbschaft einfach in den Wind schießen - aber dann machte ich mich doch wieder auf den Weg zum Bahnhof, um in den Zug zu steigen.

Und es war klar, was in München als erstes auf den Tisch ihres Hauses käme: Ich sollte endlich nach München übersiedeln. Das war einer ihrer größten Wünsche,

und mein Albtraum, wenn ich mich je darauf einlassen würde.

Heute fuhr der Zug in Richtung München pünktlich ab, was nicht immer der Fall war. Es waren nur recht wenige Passagiere an Bord, und die meisten gelangten lange vor der Endstation an ihr Ziel. Harry kontrollierte den Einstieg und gab dann das Signal zur Abfahrt des ICE. Später würde er alle Fahrscheine kontrollieren und wissen, wer ihn bis zur Endstation begleiten würde. Insgeheim freute er sich sehr über Reisende, die er länger im Zug wusste.

Klaas

Es war wieder einmal Heiligabend, und ich konnte alles stehen und liegen lassen, um meinen Zug in Richtung München zu erreichen. Endlich würde ich meine beiden Kinder wieder sehen. Ich ging, wie ein armes Christfest-Tier bepackt,

zum Bahnhof und freute mich auf ein paar Tage mit Jenny und Nicolaus. Mit ihrer Mutter, bei der sie lebten, verband mich die stille Übereinkunft eines Waffenstillstandes, solange die Kiddies in der Nähe waren. Das waren sie eigentlich immer, wenn wir uns sahen ... also würde Weihnachten ein schönes Fest werden.

Ihren neuen Ehemann Till mochte ich sogar recht gut leiden.

Ich war froh und glücklich, dass ich meine Kinder überhaupt noch sehen durfte, denn Ariane gegenüber hatte ich mich wie ein Betrüger verhalten. Nein, nicht wie ... ich war ein Betrüger.


Copyright: Silvia Gehrmann
Fortsetzung folgt



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