Montag, 21. Dezember 2020

21. Dezember 2020 - Adventskalender 2020: Eine Kurzgeschichte in 24 Türchen: 21. Türchen: Das Hotel im Schneesturm


Adventskalender 2020
Eine Kurzgeschichte in 24 Türchen

21. Türchen
Das Hotel im Schneesturm

Heiligabend, 1 Jahr später

Die Gruppe der fünf Freunde traf sich im Kölner Hauptbahnhof. Bei einer letzten Tasse Kaffee vor der Abfahrt ihres Zuges in die Eifel lachten und scherzten sie voller Vorfreude auf das erneute Heiligabend-Fest, das sie miteinander verbringen würden. Klaas würde wiederum einen Tag später zu seinen Kindern und seiner Ex-Frau fahren, ebenso hatten Mary und Lotte geplant, Mary für ihren Neffen, Lotte für ihre Schwiegereltern.

Es war viel passiert in diesem letzten Jahr. Aber vor allem waren sich alle Fünf nahe gekommen, so nahe, als hätten sie sich nicht erst vor einem Jahr kennengelernt. Sie hatten sich regelmäßig und abwechselnd hier und dort getroffen, oder sie unternahmen gemeinsame Kurzreisen. Für alle war das Leben ein gutes Stück weit wertvoller und interessanter geworden.

Für diesen  Heiligabend gab es einen ganz besonderen Plan: sie wollten zu "ihrem" Hotel fahren, ohne Anmeldung, ganz so wie vor einem Jahr. Wenn es damals nicht nur nicht ausgebucht, sondern unbewohnt von Gästen war, so hofften sie, sei es auch in diesem Jahr so. Harry hatte die genaue Adresse von dem Busfahrer besorgt, der sie in jener Schneewehen-Nacht dort hingefahren hatte. Denn auch bei ihrer Abfahrt am 25. Dezember hatte niemand ein Ortsschild entdecken können ... es lagen keine Visitenkärtchen an der Rezeption ... und Ronny und Lisa waren urplötzlich nicht mehr auffindbar gewesen.

Natürlich war es ein Wagnis, keine Revervierung vorgenommen zu haben. Aber sie waren guter Dinge. Das Hotel lag schließlich "am Ende der Welt" - wer sollte sich interessieren, ausgerechnet dort die Feiertage zu verbringen? Lottes kleiner Widerspruch, dass ihr die "ganze Sache nicht geheuer sei" wurde schnell verworfen, so dass auch sie selber keine Bedenken mehr hatte. Und überhaupt? Was sollte ihnen schon passieren, solange sie alle zusammen waren?

Wenn das Hotel wider Erwarten wirklich ausgebucht war ... es war früh genug, um andere Pläne zu schmieden, eine andere Übernachtungsmöglichkeit zu finden. Das wäre allerdings schade gewesen.

Selbst, wenn man einmalige Erlebnisse nicht wiederholen konnte - sollte es so sein, dass sie sich alle noch einmal an dieses  Ereignis erinnerten. Sie wollten sich auch daran erinnern, wie sie sich gefunden und befreundet hatten.

Diesmal nahmen sie einen Regionalzug, denn der ICE hielt nicht planmäßig an diesem kleinen Bahnhof, der Augangspunkt für das Erreichen ihres Hotels war. Es war kalt an diesem Heiligabend, aber es lag kein Schnee. Mary hatte zwei Thermoskannen voll Glühwein mitgebracht, und sie tranken sich ein wenig warm.

Sofort fielen Wörter wie "wisst ihr noch" ... "oh ja, das schönste Heiligabend-Fest aller Zeiten" ... "erinnert ihr euch noch" ...

Wie könnten sie sich nicht an diesen Heiligabend vor einem Jahr erinnern? Aber es war wohltuend und fühlte sich nach Heimat an, alle Erinnerungen noch einmal auszusprechen.

Nicht lange Zeit nach der Abfahrt konnten sie den Zug verlassen. Nun hatte auch Mary ein mulmiges Gefühl und sprach die Hoffnung aus, dass "ihr" Hotel freie Zimmer haben würde. Markus umarmte die ältere Freundin und sagte: "Wir gehen eben auf Abenteuer-Reise, und die kann man nicht vorab buchen."

Markus

Genau so wenig kann man das Leben im voraus planen und bestimmen. Selbst unter den besten Voraussetzungen kam es häufig genug völlig anders als gedacht. Nach Chris' Tod war ich mehr oder weniger ein Häuflein Elend, das auf nichts mehr wartete und vor allem auch gar nichts mehr erwartete. Nun sah die Welt so strahlend wie ein bunter Weihnachtsbaum aus, der immerzu Licht ins Leben brachte.

Vor dem Bahnhof fanden sie ein Taxi, ein einziges. Hier wurden vermutlich nicht viele Fahrgäste erwartet. Obwohl der Fahrer eigentlich keine fünf Leute von einem Ort zum anderen bringen durfte, erlaubte er es, dass sich alle hineinquetschten.

Markus nannte dem Taxler die Adresse des Bestimmungsortes.

"Sind Sie sicher, dass sie dort hin möchten?" fragte der Taxifahrer eindringlich und zugleich erstaunt.


Copyright Silvia Gehrmann
Fortsetzung folgt

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