Donnerstag, 17. Dezember 2015

17. Dezember 2015 - Adventskalender 2015 - 17. Türchen - Heiligabend in der Notaufnahme



Ein fiktive Geschichte

Heiligabend in der Notaufnahme

Wer heute hier Dienst schiebt, hat entweder keine Familie mit Kindern zuhause oder will dem Ganzen einmal und gegen alle Regeln gern entfliehen. Dr. Bürger ist unverheiratet, während Sr. Marion nur einen Ehemann dem Heiligen Abend und sich selbst überlässt.

Sr. Kim liebt einfach den Trubel, der an Heiligabend ab dem frühen Abend in der Notaufnahme los geht. Sie harrt bei einer kleinen Vor-Verschnaupause und bei Kaffee und Kuchen ungeduldig der Dinge, die kommen mögen. Dr. Bürger weiß um die blutrünstigen Vorfreuden seiner Kollegin und meint bedächtig: "In diesem Jahr bleibt alles ruhig."

Doch schon gegen 16.00 Uhr trudelt der erste Betrunkene, gestützt von Mutter und Vater, da er erst elf Jahre alt ist, ein. Seine noch um ein Jahr jüngere Sauf-Kumpanin folgt, ihre Eltern ebenfalls im Schlepptau, auf dem Fuße.

Und von da an gibt es kaum eine ruhige Minute mehr: Die schwer von ihrem Mann geschlagene Frau ist ebenso ein bekanntes Heiligabend-Gesicht wie der Mann mit dem Herzinfarkt, der sogleich auf die Intensivstation verlegt wird. Während Sr. Marion sich dann dem Mann zuwendet, der sich mit seinem Punsch verbrüht hat - kümmert sich Sr. Kim um die Frau, die fast bewusstlos am Herd zusammen gebrochen ist.

Seit Wochen stand sie nur noch in der Küche. Hat Plätzchen gebacken, nebenher jeden Tag ein umfangreiches Essen gekocht und auch noch das Haus sauber gehalten und ihren Job ausgeübt. Heute wird es ihr zuviel an Action, und über Gänsekeule und Rotkohl gibt sie beinahe den Löffel ab.

Dr. Bürger verordnet ihr ein ruhiges Zimmer für diese Nacht und verbietet jeden Besuch. Die Frau muss erst einmal wieder zu sich selber finden.

Später kommen die ersten Böller-Opfer, die Heiligabend mit Silvester verwechselt haben (wo sie die nur schon her bekommen haben?) und nun ihre Brandwunden auskurieren müssen. Vermutlich beknallen sie in einer Woche schon wieder den Himmel. Sie kennen jetzt ja die Adresse, falls wieder etwas schief geht ...

Ein Ende der Nacht ist erst absehbar, wenn alle familiären Hürden glücklich umschifft worden sind und nur in Einzelfällen Opfer fordern. Wenn alle zu müde sind, um sich weiter zu streiten oder sogar handgreiflich zu werden - dann kann es passieren, dass ein Polizist in Ausübung seines Dienstes auf eine Krankenschwester trifft und sie sich Knall auf Fall verlieben.

So ist die Stille Nacht gar nicht mal so still wie von allen erhofft, und etwas Heiliges hat sie ebenfalls selten - wenn die Menschen plötzlich so dicht aufeinander hocken. Dann suchen sie zwischen dem Geschenkpapier plötzlich nach Gemeinsamkeiten, die sie nicht mehr haben.

Weniger Erwartungen, weniger Hetze, weniger davon, es allen recht machen zu wollen. Und schon ist die Ambulanz an Heiligabend viel leerer ...



Einen schönen Advents-Tag wünscht Biene

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