Samstag, 1. Dezember 2018

1. Dezember - Adventskalender 2018 - 1. Türchen - Meine Oma ...



Oma

Dieses Wort, voller Liebe benutzt, drückt das absolut tiefste Gefühl aus, dessen ich fähig bin. Meine Oma war mein Ein und Alles. Natürlich hat sie mir jegliche Unart und Charakterschwäche durchgehen lassen ... und immer stolz posaunt:

Das ist eben mein Silviken!

Sie wurde 1902 im August geboren - und hat mit ihrem Mann Silverius Schäfer drei Söhne bekommen. Über einen, den jüngsten von ihnen, erzähle ich später im Adventskalender etwas mehr - mein Vater war der mittlere Sohn, geboren 1928.

An ihrem Geburtsdatum kann man feststellen, dass sie zwei Weltkriege ertragen musste.

Und das in Dortmund, einem Lieblings-Ort der Bombardier-Gewalt.

Viel hat sie nicht über diese Zeit erzählt. Sie hat sich immer auf das Jetzt (Damals) konzentriert, zumindest nach außen - und so kannte ich sie als fröhliche Frau, die mir die Welt und die Gelassenheit erklären konnte.

Ich wurde in ihrem Haus geboren, und das war vielleicht eines ihrer größten positiven Erlebnisse, obwohl es beinahe zwei Tage dauerte, bevor ich mich entschloss, mir endlich einen Teil meiner Leute anzusehen. Und nachzusehen, ob mir die vom Schicksal verordnete Umwelt überhaupt gefiel - nun, ein Blick in die Augen meiner Oma (falls ich den damals schon wirklich hätte tun können) sagte mir:

Hier bist du richtig!

Und sie sagte sich: Endlich ein Mädchen. Nach drei eigenen Jungs!

Vom ersten Moment an war ich ihr erklärter Liebling. Obwohl sie Witwe war und einen Verehrer hatte - hat sie auf eine nähere Beziehung oder Heirat mit diesem verzichtet, weil sie sich um mich kümmern wollte.

Als ich zur Schule ging, übte meine Mutter wieder ihren Beruf aus - und Oma kümmerte sich wochentags um den Haushalt, um mich und meinen Bruder ... einfach um alles.

Eine Hommage an meine Oma gibt es seit etwa zwei Wochen in dem Buch: "Im Pott bei Tisch" - aber das ist nur ein winziger Auszug aus unser beider Zusammenleben. Doch es würde sie unheimlich freuen, wenn sie wüsste,

dass ich ihr dort und hier und überhaupt in meinen Reden Denkmäler setze. Und ziemlich verlegen machen würde es sie zudem. Sie mochte kein Aufheben um ihre Person. Absolut nicht.

Sie war die bescheidendste Frau, die ich je kennen gelernt habe.


Ihr Tod

Sie musste den Tod meines Bruders ertragen, den sie hinnahm wie eine stumm leidende Heldin (selber hatte sie auch einen Sohn, als er  21 Jahre alt war, verloren).

Dann war das Schicksal entweder gnädig oder unbarmherzig zu ihr:

Sie bekam Arterio-Sklerose. Eine Art von Demenz.

Zu dieser Zeit nahmen sowohl meine Tante als auch meine Mutter sie vorübergehend bei sich auf. Es klappte nicht.

Sie nervte beide Frauen - obwohl meine Tante noch etwas geduldiger als meine Mutter war. Die permanenten Wiederholungen von Erzählungen, das stete Vergessen ... es war schwierig.

Ich wollte meinen Beruf hinschmeißen, um sie aufzunehmen - aber da revoltierte mein Vater: Er hat eben weiter gedacht ... und ich hatte keine Befugnisse über Omas Leben, weil die beiden Söhne die "Vormundschaft" übernommen hatten.

Oma Josefine kam in ein Altersheim in Dortmund. Einmal in der Woche habe ich sie dort besucht (ich wohnte inzwischen nicht mehr in Dortmund) und mit ihr Dinge gemacht, die wir früher auch gemacht hatten -

nur umgekehrt. Nun war ich die Fürsorgende, und sie ließ sich leiten.

Man machte sich Sorgen um mich, als Oma plötzlich im Sterben lag - ja, ihr Sterben in 1986 kam wirklich ziemlich unerwartet - und verständigte mich daher nicht darüber.

Derart übergangen konnte ich nicht einmal Abschied nehmen.

Man verständigte mich natürlich sofort von ihrem Tod,

aber nicht von ihrem Sterben.

Dieses 1. Türchen in diesem Advent ist nun mein öffentlicher Abschied, eine Millionen Mal zuvor allein für mich zelebriert ...

Liebe endet sowieso niemals. Und meine größte erst recht nicht.

Schlaf gut, Omma!


Guten Tag, Gruß Silvia

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