Interview mit meinen Vorfahren
Einfach ist es nicht, mit seit langer Zeit Verstorbenen ein Interview zu führen - und meine einzige Qualifikation hierzu ist, dass ich schließlich mit ihnen verwandt bin. Vielleicht treibt mich der eine oder andere Gedanke an, der auch sie angetrieben hat? Und eventuell finde ich bei einigen sogar meine Nase oder meine Augen wieder?
Ich gehe mal davon aus, dass mir niemand dieses Interview verübeln, sondern es höchstens belächeln würde. Wehren können sie sich ja nicht mehr, was das Ganze etwas unfair macht. Aber ich versuche mal, Unfaires so gut es geht zu umschiffen. Wird mir sicher nicht gelingen, und da käme bereits meine erste Frage nach jenem,
dem ich wohl am meisten ähnlich bin.
Keine Meldungen erfolgen. Na, na, so schlimm bin ich aber nicht! Vielleicht bin ich sogar besser als ihr es gedacht habt. Eventuell aber der Total-Ausfall als Nachfahrin.
Tapfer starte ich weitere Versuche und richte eine Frage an meinen nie gekannten Großvater Oskar Gehrmann, die ein wenig heikel ist:
Warum bist du in einer dunklen Zeit den falschen Idealen gefolgt?
Und wie durch ein Wunder erinnere ich mich an die Antworten meiner Mutter darauf, die aber mehr Fragen als Antworten waren, denn sie hat es nie begriffen noch verstehen können, dass ein solch liebevoller Vater die falschen Ideale hatte. Ihr Leben lang hat sie darunter gelitten.
Den anderen nie gekannten Opa Silverius Schäfer frage ich, warum es bei ihm genau andersherum war - und er dieser Ideologie überhaupt nicht gefolgt ist.
Er sei ein bodenständiger Menchenfreund gewesen, sagte meine Oma Josefine (die ich gut gekannt habe) dazu, und sie habe oft genug Angst um ihre Familie gehabt ... damals in dieser dunklen Zeit, als er nicht tatenlos blieb.
Alma Gehrmann, die mir unbekannte Mutter meiner Mutter - ich weiß so wenig von dir, eigentlich fast nichts.
"Zumindest weißt du, wie und wo ich gestorben bin und wer meine Prinzessin war - für Weiteres hättest du dich mal früher interessieren sollen."
Oh je, der Vorwurf ist gerecht und trifft mitten ins Unveränderliche.
Ich frage einen Vorfahren mit dem Nachnamen Praetorius nach der Treue von Menschen, und ob sie überhaupt treu sein können:
Anderen Menschen, ihren Familien, ihren Ideen und Träumen?
Zumindest hätte ich treu zur Familie zurück gefunden, nachdem ich mich eine lange Zeit eher davon wegbewegt hätte,
lautet die Antwort. Stimmt, ich war nicht immer treu.
Von einem Vorfahren mit dem Nachnamen Konrad möchte ich erfahren, wer er eigentlich war - und Herr Konrad zickt rum:
"Viel zu spät für dich, danach zu fragen. Inzwischen haben sich unsere Namen durch Heiraten geändert, und die Zeiten sowieso."
Ich gebe zu, dass es für manche Fragen in der Tat reichlich spät ist und bedanke mich bei den
Familien Gehrmann, Schäfer, Praetorius und Konrad für
die Geduld mit mir und meiner Einfachheit, die manchmal ganz schön kompliziert sein kann.
Guten Tag, Gruß Silvia
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