Samstag, 22. September 2018

22. September 2018 - Vom Leben. Vom Tod. Vom Sterben-Wollen. Vom Leben.



Vom Leben. Vom Tod. Vom Sterben-Wollen. Vom Leben.


Man denkt an den Suizid von zum Beispiel Daniel Küblböck, weil er aktuell ist. Und man denkt an andere, die eher auf Raten passiert sind, wie etwa der von Amy Winehouse. Manchen kann man leider nicht helfen, während andere sich nicht helfen lassen wollen, weil sie ihre eigenen Hilferufe so weit überlisten, dass niemand sie hört.

Grundsätzlich ist für mich der Versuch einer Selbsttötung etwas, für den es am nächsten Tag bereits eine Alternative geben kann.

Es muss nicht nur den Tropfen geben, der ein Fass zum Überlaufen bringt - es kann auch sein, dass Wasser in dem Fass des Lebens einfach verdunstet.

Ich habe in meinen Erinnerungen gekramt, um Leute zu finden, die schon mal versucht haben - ihrem Leben ein Ende zu setzen, und die man dann noch rechtzeitig gefunden hat. Leider bin ich nicht fündig geworden. Noch nicht ... Denn ich wollte sie nach ihren Empfindungen nach jenem "Danach" befragen.

Aber am Ende aller Bemühungen habe ich mich selber wieder gefunden.

Ich hatte dies bis vor ein paar Tagen eigentlich völlig vergessen.

Es ist sehr lange her.

Mein Bruder ist mit 19 Jahren bei einem Hotelbrand ums Leben gekommen. Ich war natürlich auch noch sehr jung, sehr dumm - und vielleicht zu emotional für diese Welt. Das bin ich heute zum Glück nicht mehr, denn zu viele Emotionen haben keine große Chance in der Gegenwart und im Leben überhaupt. Man muss es rational betrachten, und das kann ich schon seit langer Zeit. Ich bin nicht die, die heult oder in den Katastrophen-Modus schaltet, wenn ich etwas Schlimmes erfahre.

Damals jedoch ging die Welt von einem auf den anderen Tag für mich unter: Mein Heinz war tot. Es war nichts Vorübergehendes, über das man mal eben unglücklich war - es würde für immer sein -

und ist es bis heute.

Vielleicht hätte das Leben uns entzweit, und wir wären heute derart verärgert übereinander, dass wir kein einziges Wort mehr miteinander reden würden.

Alles ist möglich, aber jede andere Möglichkeit hätte mir trotz allem, was hätte passieren können, besser gefallen.


Dieser Tag nach Heinz' Tod

war der gruseligste meines ganzen Lebens. Die nächsten Angehörigen hatten sich bei uns zu Hause versammelt. Meine arme Oma meinte immer nur, sie wäre dran gewesen. Meine Mutter weinte ohne Unterlass, mein Vater behielt die Nerven, während sein Bruder versuchte, uns alle irgendwie am Leben zu halten.

Meine Tante, die Frau meines Onkels (Bruder meines Vaters), arbeitete in einem Beerdigungs-Institut als Buchhalterin. Mitarbeiter dieses Institutes hatten meinen Bruder von Frankfurt, wo es passierte,  nach Dortmund überführt.

Dass sein Sarg nicht mehr geöffnet werden dürfte - Brandopfer:  Niemand möchte wissen, wie sie aussehen - habe ich auch an diesem Tag erfahren.

Jahre später erst habe ich erfahren, dass mein Vater als einziger ihn doch noch einmal gesehen hat. Er war auch persönlich in Frankfurt in der Rechtsmedizin.

So viele Jahre hatte es das Leben so gut mit mir gemeint, aber dann kam mit einem mal der ganz schlimme Schnitt, aus heiterem Himmel, aus einer fröhlichen Stimmung heraus

und absolut brutal!

Ich verstand die Sachlichkeit nicht, in die meine Tante ihre Worte kleidete - und eigentlich verstand ich gar nichts mehr.


Der Suizid-Versuch

Irgendwann an diesem Tag sah ich das Leben nur noch grau in grau oder sogar ganz in schwarz gekleidet. Am Horizont, vermutete ich, würde keine Sonne mehr aufgehen. Es würde für immer düster bleiben ...

Ich ging in die Küche, öffnete die Medikamenten-Schatulle meiner Mutter und

schluckte wahllos, was sich darin befand.

Dann legte ich mich auf Heinz' Bett.

Ich war sicher, dass mich niemand vermissen würde, denn alle waren mit ihrer eigenen Trauer um ihn beschäftigt und dachten nicht an weiteres Unheil, schon gar nicht an eines aus meiner Ecke.


Mein Vater

machte sich jedoch Sorgen um mich. Wir haben später nie darüber gesprochen, denn er war nicht der große Redner. Er war in meinem Leben immer derjenige, der gehandelt hat - ohne viele oder gar große Worte.

Er kam in Heinz' Zimmer, und er sah mich apathisch dort liegen -

packte mich in seine damals noch starken Arme (die nach Heinz' Tod immer schwächer wurden) und hievte mich aufs nächste Klo, dem Gästeklo.

Er steckte mir einen Finger in den Hals. so dass ich die meisten der Tabletten unaufgelöst erbrach.

Ein Krankenwagen kam kurz darauf. Nach etwa 15 Minuten hatte ich im Krankenhaus einen Schlauch im Hals - und lag vorher auf einer Trage,

meinem ewigen Mentor, meinem Papa, sei Dank, nicht auf einer Bahre.

Schon in jenem Moment dankte ich dem Zufall, meinem Vater und der Zukunft,

dass ich nicht gestorben bin.

Selbstverständlich waren die nächsten Monate alles andere als einfach.

Aber an Selbsttötung habe ich seit damals niemals mehr einen einzigen Gedanken verschwendet.

Und dieser einmalige Versuch resultierte einerseits aus einer Art Kurzschluss und andererseits auch aus der Tatsache, dass ich durch unseren Internisten derart ruhig gestellt war, dass mir  alles recht gleichgültig  erschien und andererseits die unendliche Trauer dennoch vorhanden war.

Mir das Leben zu entreißen - irgendwann - überlasse ich dem Leben an und für sich. Ich bin nicht befugt, nachzuhelfen.


Guten Tag, Gruß Silvia


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