Mittwoch, 26. November 2014

25. November 2014 - Vox - Das perfekte Dinner - Dienstag in Leipzig bei Jutta

Aperitif: Krimskoye Schampanskoje
Vorspeise: Dialog vom Kaviar auf Kartoffelplätzchen
Hauptspeise: Glasierte Kalbshaxe mit Beilagen aus Wald, Feld und Flur
Nachspeise: Creme Caramel Tarte à la Paul Bocuse


Poltergeist

Jutta ist seit 44 Jahren mit ihrem Mann Albrecht verheiratet, und er hatte genügend Zeit, sein Gehirn auf Durchzug zu stellen und nur ihre netten Worte heraus zu filtern. Dann bleibt zwar nicht mehr viel Gesprächsstoff, aber die Zuneigung geht nicht verloren.

Vor vierzig Jahren sind sie in ihr Haus eingezogen, und auf dem Grundstück fand man neben Granaten auch Skelettreste von einem ehemaligen Friedhof, der hier mal für die ewige Ruhe sorgte. Aus solch einer Vorlage hat Steven Spielberg einen gruseligen Film gemacht.  Hier sorgt zusätzlich die Inneneinrichtung für Grusel. Besonders stolz ist Jutta auf ein Uralt-Platten-Abspielgerät - das gehörte vielleicht mal jemandem, der auf dem Friedhof ruhte, bevor hier eine laute Frau ihren Einzug hielt.

Mann Albrecht hat die Lebensmittel besorgt, denn er kennt sich als ehemaliger Koch aus dem "Astoria" damit aus. Beim Kochen helfen darf er nicht. Ebenso wenig darf Tochter Anna ihr in der Küche beim Schnibbeln helfen. Jutta mag das Wort "schnibbeln" nicht. Nun ja, manche mögen Jutta nicht. Andere wiederum keine Friedhofs-Reste auf ihren Grundstücken. So hat ein jeder irgendein Problem mit irgend was. Und bringt es nicht gleich in dieser ich-dulde-keinen-Widerspruch-Stimme auf den Punkt. Ist klar, dass da noch posthum so manche zittern würden. Mein Grusel für den Vorabend ist auf jeden Fall perfekt in Szene gesetzt.

So bekommen die Konkurrenten als Halter der Speisekarte einen Tierknochen überreicht: Diese Geschmacklosigkeit in Sachen Design ist schwer zu toppen für alle nachfolgenden Koch-Bemüher. Manch schräge Einfälle sind keine guten Ideen.

Im Jahre 1982 hat sie im damals verbotenen West-Fernsehen ein Paul-Bocuse-Nachtisch-Rezept mitstenografiert, dem sie bis heute treu geblieben ist. Inzwischen hätte sie ruhig mal in einem seiner Kochbücher recherchieren können, ob das auch alles so stimmt, was sie da aufgegabelt hat. Eine Tarte ist es schon mal nicht, sondern ein Eier-Pudding. So meint auch einer der Gegner dieser Woche, es schmecke wie süßes Rührei. Das kann man sich gut vorstellen und der Grusel ist schon wieder da.

Insgesamt ist sie ein "nervöses Hemd" in ihrer Küche, stapelt hier übereinander, kontaminiert dort den Backofen und düst rast- und ruhelos durchs Bild. Verwechselt den Islam mit Vegan und sich mit einer Superfrau.

Doch ihr old-fashioned Dinner ist, abgesehen vom Nachtisch, so schlecht nicht. Die russisch-deutsche Hausmannskost muss man mögen, dann schmeckt sie sicher auch. Leider mag die offenbar niemand so wirklich. Eva, die eine Alternative zum Hauptgang bekommt, weil das Kalbfleisch mit ordentlich Wein gelöscht ist  - meint gar, dieses Hähnchen schmecke ihr nur bei ihrer Mutter. Warum ist sie dann nicht zu ihrer Mutter zum Essen gegangen? Wird ja niemand gezwungen, sich beim perfekten Dinner zu bewerben, der nicht begreift, dass es im Sinn des Dinners liegt - sich mal anderen Kochkenntnissen anzuvertrauen und sich darauf einzulassen. Gut, manchmal eben auch Unkenntnissen.

Anna darf irgendwann die Szenerie verlassen. Man hätte ihr gern zugerufen "Annie, Get Your Gun" - doch stattdessen bekommt die Mutter ein paar unbeholfene und wohl selten geübte Küsse von ihr. Jutta ist nicht die Kuschelige.

Am Ende bekommt Jutta nur sechsundzwanzig Punkte. Ich hätte noch ein paar drauf gelegt für den Grusel aus Leipzig.

Guten Morgen, Gruß Biene

6 Kommentare:

  1. Ja, ja die Jutta, die ist schon eine ganz Spezielle. Das muss man mögen und auch aushalten können. Albrecht (Aaalbreeecht!) kann es anscheinend, sonst wäre der 44-zigste Hochzeitstag nicht möglich gewesen. Ihn reizt jedes Wort seiner Frau (prust), aber er mag sie und sagte dies mit einem wissenden Lächeln um die Lippen. Ja, Gelassenheit mit Wissen gepaart ist nicht die schlechteste Kombi. Gearbeitet haben beide im Hotel Astoria, er in der Küche, sie in der Funktion als Chefsekretärin. Ich bin sehr, sehr froh, dass ich unter ihr nicht habe arbeiten müssen.

    Nach einer schnellen Wohnungsbesichtigung in der sehr aufgeräumten und für ältere Menschen schon fast spartanisch eingerichteten Räume brachte Teilzeitküchenhilfe Albrecht die Kiste mit den Lebensmitteln. Gott sei Dank war alles zufriedenstellend, sonst hätte es aber was gegeben, das kannste glauben!

    Zur Vorspeise wurden zwei Döschen mit Kaviar aufgemacht und zu Kartoffelplätzchen, die den Sehtest überstanden haben, gereicht. Naja.

    Zum Hauptgericht wurde die zweite Küchenhilfe heranzitiert. „Anna!“ „Aaaannnaaaa!!“ Während des leicht chaotischen Kochens reichte Jutta mit generösem und majestätisch nach hinten ausgestrecktem Arm diverse Gefäße an, die Anna dann in die Geschirrspülmaschine verfrachtete. Die Kalbshaxe ist gut gelungen, wurde mit selbstgemachter Gemüsebrühe und Rotwein hergestellt. Und das hätte sie doch gerne der Veganerin, oder war es doch eine Muslime, so mir nichts, dir nichts, untergejubelt. Ist doch wurscht, verkocht doch eh alles. Bleibt nur der Geschmack. Aber sie wäre nicht Jutta, hätte sie keinen Plan B in Form von Hühnerfrikassee parat gehabt. Die Erbsen und Möhren wurden, soweit ich das in der Schnelle richtig erkannt habe, mit der Helene-Fischer-Gedächtnis-Butter verfeinert und im Kartoffelkörbchen serviert. Dazu gab’s aufgewärmte Pilze.

    Die schnell mitstenographierte äußerst eierlastige Tarte sah mir von der Konsistenz eher wie ein gestocktes Rührei aus. Knuspriger Bacon hätte auch dazu gepasst…. Aber nein, am Rezept wird nichts!! geändert.

    Aber kurzeitig zeigte Jutta auch andere und weichere Momente, wenn sie sich z. B. von Albrecht und Anna mentales Daumendrücken wünschte. Geht doch, Jutta!

    Alles in allem ist Jutta eine sehr, sehr resolute und hellwache Person, die auch mit 71 locker den Spagat schaffte, zwischen Kochen und Kamerateam eine Stenoeinlage mühelos hinzulegen. Für dieses Dinner werden keine Mützen, Hauben und Bestecke vergeben, sondern schmale 26 Punkte. Aber gewinnen wollte sie laut eigener Aussage sowieso nicht, sondern sich lediglich etwas beweisen. Alles andere ist ihr wurscht. Wie so vieles.

    Da sie den gestrigen Abend nun hinter sich hat, wird sie heute wahrscheinlich wie gewohnt beim Kommentieren alle Register ziehen und zur alten Form auflaufen. Die Männer der Runde nehmen es, glaube ich, gelassen.

    Durch fiese Nebelschwaden grüßt Regine

    AntwortenLöschen
  2. Aperitif:
    Trotz des Namens kein Champagner, sondern ein Sekt, wobei der Ursprung der Trauben nicht unbedingt auf der Krim liegen muß.

    Vorspeise:
    Die Kartoffelplätzchen waren viel zu hell gebraten und sahen matschig aus. Statt der Gurken-Creme-Fraiche wäre eine geschmacksneutrale Creme-Fraiche die bessere Wahl gewesen. Die Artischockenböden aus der Dose waren absolut überflüssig.

    Hauptspeise:
    Glasierte Kalbshaxe, weil man sie öfters übergießt? Das ist eine normale Kalbshaxe. Beim Anschneiden sah sie m.E. etwas trocken aus, wobei ich mir nicht klar bin, wie man eine Kalbshaxe trocken brät. Von der verunglückten Sauce und ihrem dünnen Erstz will ich nicht reden.
    Die Pfifferlings waren handwerklich falsch zubereitet, die Erbsen sahen sehr dunkel aus (ich hatte schon vermutet, dass sie aus der Dose stammten. Die Kartoffelkörbchen sind 70er Jahre Schnick-Schnack.

    Nachspeise:
    Irgendwie hat Jutta nicht Westfernsehen gesehen, sondern irgend einen Privatsender eines Hühnerhofes. Es war definitiv keine Tarte, sondern eine krümelig gewordene Creme. Einzig ihr Karamell sah gut aus, als er aus der Pfanne kam. Später nicht mehr.

    Fazit:
    Eine sehr nervöse, hibbelige 70+-Dame mit Kasernenton vergaß so ziemlich alles, was sie in ihrem langen Küchenleben gelernt haben sollte. Als Ehemann mit beruflichem Koch-Hintergrund würde ich, spätestens heute, die Hände ganz feste über dem Kopf zusammenschlagen.

    Ich wünsche euch einen ruhigeren Tag bei kaltem Wetter.

    Manne

    AntwortenLöschen
  3. Moin @ zusammen.

    Kein Kommentar – Klappe halten. Das hatte was von Kaserne.
    Herrlich diese burschikose Art von Jutta, die aber nicht böse gemeint war, eher ein Teil ihrer beruflichen Vergangenheit. Eine Uniform trug sie nicht, hätte aber zu ihr gepasst. Ihr Mann Albrecht, der Koch im Hotel Astoria war, ist normal der Herr in der Küche. Heute war er höchstens gelegentlicher Zuträger. Jutta befehligte die Küche allein und machte alles allein, bis auf niedere Handreichungen. So wurde ihre Tochter Anna laufend dazu aufgefordert, die Spülmaschine einzuräumen. Als ihr Mann die Creme Caramel selbstständig aus dem Keller holte, wurde ihm sogar gedankt. Also Jutta kann auch anders. – lol – Überhaupt ihr Mann, den hätte ich viel öfters zu hören können, denn er sächselte so schön. – lol -
    Schade fand ich, dass ich Jutta nicht beim Einkauf erleben durfte. – lol –
    Die Art zu Kochen von Jutta war nicht gerade übersichtlich, da sie mit 6 Töpfen gleichzeitig wer-kelte. Da wurde gerührt und gerührt. Zwischen dem Rühren erklang immer wieder ihre zarte Stimme mit dem Ruf nach „Anna.“ - Anna, ming Droppe! - lol -

    Deko: Wo war die hingekommen? Serviettenringe aus Knochen und dann erzählt sie auch noch, dass das Haus auf einem alten Friedhof stehe und sie früher Knochen im Kellergefunden hatte. Das hatte was von Halloween. Nee diese Frau muss man mögen um sie zu mögen. – lol -

    Empfang/Aperitif: ich finde solche Eingangstüren einfach toll, eine Glastür mit Fenster. Diese Szene, wie sie durch das Tür-Fenster ihre Gäste willkommen hieß, hätten die Gebrüder Grimm nicht besser gestalten können. Die Gäste stauten, dass Jutta in einem so geräumigen Reihen-haus auf 3 Etagen wohnte. Der Krim-Sekt war nichts Spektakuläres und Eva bekam Apfelsaft. Nun der ist auch gut für die Verdauung, wenn man den ganzen Abend solchen trinkt.

    VS: Artischockenböden aus der Dose mit Lachs- und Stör-Kaviar gefüllt. Jutta erklärte sofort, dass 1 g 1 € kostet. Nun das mag beim Stör zutreffen, beim Lachs sind es da eher 12 Cent/g. Das Schwierigste daran war aber, wie bekomme ich so eine Dose auf. Bei den Reibekuchen musste ihr Mann aber darauf hinweisen, dass sie noch zu roh waren. Also weiterbraten und den Mann der Küche verweisen. Kritik an Jutta geht nun mal nicht. Die Gartenkresse, die sie als Garnitur großzügig auf den Tellern verteilte, hätte sie aber nicht aus Tüten nehmen müssen, so etwas hat man doch ganzjährig rumstehen. Auch die Blätterteigpasteten waren Fertigware. Die russische Gurken-Sahne-Creme in die Croustades einfüllen und fertig. Also ein großes Kochen war das schon mal nicht. Dass der Kaviar allgemein sehr unterschiedlich ankam, verstand sich von alleine.

    Teil 2

    AntwortenLöschen
  4. Teil 2

    HG: doch die Kalbshaxe ist Jutta gut gelungen, auch wenn sie zwischenzeitlich einen Großteil der Braten-Soße im Backofen verteilte. Nun ja, so etwas kann schon mal passieren, wenn man zu hektisch agiert. Aber den fehlenden Sud durch Rotwein ersetzen, wo Eva keinen Alk mag, fand ich so nicht OK. Aber Eva bekam eh Hühnerfrikassee, das etwas unappetitlich aussah. Gut so. Die Kartoffelnester waren na ja gut anzusehen. Sie für Erbsen und Möhren zu verwenden war schon mal gut. Die Pfifferlinge waren sparsam verlesen. Allerdings hatte sie diese in Speck angebraten, was wiederum gegen den Wunsch von Eva war. Angerichtet war es allerdings nicht schön. Die Kalbshaxe wurde als gut empfunden, die Beilagen wurden gar nicht erwähnt.

    DS: dafür musste also Paul Bocuse herhalten. Der Spitzen-Koch für die einfache Küche schlecht hin. Es mag schon sein, dass Jutta genau nach Rezept kochte, aber das Ergebnis war mehr als einfach daneben. Das hatte was von einem Rührei mit Zucker, wie es Dominik bezeichnete.

    Jutta war eine chaotische Köchin, die gerne viele Fertigprodukte verwendete. Helfer kennt sie nicht, nur Untergebene. Ihr Gewerkel in der Küche war doch sehr laienhaft, nicht nur das Zwiebelschneiden mit der Schere. Ihre Ausflüge in die große Welt der Spitzenküche waren für sie viele Nummern zu groß. Auf Eva, die keinen Alk trinkt, nahm sie nur widerwillig bis keine Rücksicht. Die Wünsche ihre Gäste waren ihre eigentlich schnuppe. Dass sie auch nicht zuhören kann, erkannte man an ihrer Erklärung an Anna, dass eine Veganerin oder Vegetarierin oder Muslime dabei sei. Als GGin war sie fahrig und bestimmend. Ihre Hektik lag sicherlich an ihren fehlenden Kenntnissen begründet. Die Wertungen fand ich allerdings im Vergleich zu Dominik zu niedrig, was aber auch an der Art von Jutta gelegen haben kann. Um die Art von Jutta zu verstehen, bedarf es sicherlich einer längeren Zeit des Kennens, für ein pD eher nicht so geeignet.

    LG rudi

    AntwortenLöschen
  5. Hallo in die Runde,
    zu Juttas Kochkünsten, so sie denn vorhanden waren, habe ich nichts hinzu zu fügen.
    Gemessen an Dominiks Dinner wurde sie zu schlecht bewertet.
    Aber das hat sie wohl auch ihrer herben Art zu zuschreiben.
    Wenn sie Chefsekretärin in diesem großen Hotel war, dann hatte sie schon
    eine gewisse Machtposition, in ihrer Nähe hätte ich nicht arbeiten wollen.
    Das Rezeptmitschreiben bei ihrer Mutter , weil sie kein Westfernsehen hatte,
    das kann sie jemand erzählen, der sich die Hose mit der Kneifzange anzieht.
    Solche Heuchelei .
    Ich bin Ostberlinerin, kenne keinen der nicht fast ausschließlich ARD und ZDF
    geschaut hat.
    Dresden war das Tal der Ahnungslosen, dort gab es keinen Empfang.
    Aber Leipzig?
    Es war nicht erwünscht, phhhhh .
    Jedenfalls schaue ich ganz interessiert . Mal sehen was noch für krause Theorien
    auftauchen.
    Anna

    AntwortenLöschen
  6. Interessant, liebe Anna. Ja, gucke ganz genau hin. Ich bin doch ein bisschen ahnungslos, was die damaligen Verhältnisse dort angeht. Ganz liebe durchwachsene Grüße, mal sonnig, mal bedeckt schickt Silvia

    AntwortenLöschen