Samstag, 7. Dezember 2019

7. Dezember 2019 - Adventskalender 2019 - "Das kleine Klostercafe Marienwinkel" 7. Türchen

7. Teil
"Das kleine Kloster-Cafe Marienwinkel"



Die Lust zu reden kommt zu rechter Stunde.

Und wahrhaft fließt das Wort aus Herz und Munde.

Johann Wolfgang von Goethe (1749 - 1832)


Petra achtete darauf, dass sie den "richtigen" Tisch nahmen, denn sie sah, dass Gilberta um die Ecke lugte und registriert hatte, dass sie und Denise nebst den beiden Hunden das Cafe betreten hatten. Petra war sehr froh, in Denise eine Freundin gefunden zu haben - die beiden Frauen führten auf den gemeinsamen Spaziergängen lange Gespräche. Und Petra hatte obendrein nie das Gefühl, dass sie die neue Freundin und die frische Freundschaft auf die Probe stellte, weil sie sehr viel über ihren verstorbenen Mann sprach.


Es tat ihr gut, über Robert zu reden, und es war allemal besser, eine lebendige Zuhörerin zu haben als sich mit sich selber zu unterhalten.


"Du kannst soviel über deinen Robert sprechen wie du möchtest, mir erzählen, was dir gerade durch den Kopf geht", sagte Denise, "ich kann deine Trauer zwar nicht teilen, aber ich bin hier, ich bin da - und wenn möglich, kann ich dich um ein bisschen Last erleichtern."


In dem Moment kam Gilberta mit einem herrlichen Gedeck um die Ecke. Gemächlichen Schrittes wie immer, hielt sie für jede der beiden Frauen ein nicht bestelltes Dessert in den Händen.



Foto: S. B.


"Sr. Immakulata schickt Ihnen ihre neueste Kreation. Vanille-Surprise nennt sie es, warum auch immer. Aber ich bringe Ihnen es gerne zum Probieren."

Sie stellte den beiden überrascht guckenden Frauen das vage Beschriebene auf den Tisch. Dann ging sie in die Küche zurück und kam mit ihrem "persönlichen" Stuhl zurück. Sie nahm ausschließlich auf diesem Platz, aber es war immerhin variabel, an welchen Tisch sie den Stuhl zog.


"Warum kommen Sie nicht mehr mit Ihrem Mann", fragte die Nonne dann gerade heraus und sah Petra an.


Obwohl Petra von Gilbertas Asperger-Autismus wusste, erstaunte sie diese sehr direkte Frage. Aber es war nicht anzunehmen, dass die Nonne in Beileidsreden versinken würde, wenn sie  es ihr erzählte.


"Er ist vor 4 Monaten und 7 Tagen verstorben", erklärte Petra, "es ging alles sehr schnell. Er hatte eine Lungenentzündung, und dann seine Herzkrankheit ..."


"Ich verstehe", antwortete Gilberta, deren Gesichtszüge sich trotz dieser Nachricht überhaupt nicht veränderten, "das ist sicher sehr traurig. Wie ich hörte, trifft solch ein Schicksalsschlag die Menschen besonders schwer, wenn die Advent- und Weihnachtszeit anbricht."


Petra fühlte sich ein wenig unbehaglich. Die Worte der Nonne klangen völlig unbeteiligt, eben so, als hätte sie davon schon mal Kenntnis genommen, aber nie selber einen Schicksalsschlag erlebt. Sie entschied sich, diese scheinbare Gefühlskälte zu überhören - hatte sie doch Minuten zuvor noch geahnt, dass jetzt keine Beileids-Tiraden folgen würden - und erzählte von Robert:


"Wir kannten uns seit meinem 20. Lebensjahr. Eine Freundin brachte ihn zu meiner Geburtstags-Party mit, und es war Liebe auf den 1. Blick. Es ist Liebe bis zum letzten Blick geblieben. Dazwischen hatten wir viele wunderbare Jahre, in denen wir nicht nur ein Liebes- und später Ehepaar wurden, sondern auch die dicksten Freunde. Wir waren uns selbst meist genug. Zwar hatten wir einige gute Freunde, aber wir wollten keine Kinder haben."



Foto: S. B.


"Ja, ich verstehe. Kinder können auch ganz schön lästig sein." erwiderte Gilberta.


Solche Worte aus dem Mund einer Nonne verwunderten Denise mehr als Petra, die dem unbedingt zustimmen konnte.


"Ich war nie die mütterliche Frau", erklärte Petra, "und ich glaube, in unserer Liebe waren wir ziemlich egoistisch. Da war kein Platz für ein kleines Wesen, das unsere ganze Aufmerksamkeit gebraucht hätte. Wir mussten erfahren, dass diese Wahrheit nicht bei allen gut ankam - und im Nachhinein hätten wir lieber allen erzählen sollen, dass wir keine Kinder bekommen können."


"Die Wahrheit ist allerdings immer der beste Weg", Gilberta bat die Frauen, das Dessert zu probieren. Als wäre dies im Moment wichtiger als Petras Verlust.



Fortsetzung folgt


Copyright Silvia Gehrmann









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