15. Teil der Geschichte rund um
"Das kleine Kloster-Cafe Marienwinkel"
Am Grab
Die zwei sehr unterschiedlichen Frauen hatten sich abseits vom Cafe verabredet, und sowohl Gilberta als auch Petra war es sehr mulmig zumute, wenn sie an ihr unchristliches Vorhaben dachten. Bonbon hatte Petra ausnahmsweise zu Hause gelassen, denn es war nicht nötig, aufzufallen,
falls doch noch jemand auf dem dunklen Friedhof unterwegs war.
Sie hatte zwei Taschenlampen mitgebracht, und eine kleine Schaufel befand sich in Petras großer Handtasche.
Noch könnte sie zurück, noch könnte sie sich umentscheiden und alles lassen, wie es nun einmal war und auch vorgesehen war.
Aber in Gilbertas Blick lag eine tiefe Entschlossenheit.
Niemand konnte Robert zurück bringen, aber er könnte Petra anderswo ein bisschen näher sein. Es war zwar nur ein Empfinden,
mit dem Gilberta eigentlich gar nichts anfangen konnte,
aber sie verstand den dringenden Wunsch dieser traurigen Frau, und wenn es sie ein wenig zufriedener machte, dann konnte es eigentlich nicht verkehrt sein.
Gilberta bekreuzigte sich. Würde sie das beichten müssen? Sie entschied sich schnell dafür, in diesem Fall einfach mal vergesslich zu sein,
und vergessene Sünden konnten schließlich nicht gebeichtet werden. Oder? Sie rückte ihren Kopf zurecht und befahl ihm, dies obendrein als Sünde abzulehnen. Es war keine Sünde,
es war das Recht Petras, dass sie ihren Mann mit zu sich nach Hause nahm.
Basta! Mehr gab es darüber nicht nachzudenken, sie schritten weiter über den Friedhof und erreichten schließlich das Urnengrab von Robert.
Petra zögerte. Aber Gilberta holte das Schäufelchen aus ihrer Tasche und begann mit dem Graben. Petra kannte die Stelle sehr genau, an der damals vor etwas über 4 Monaten die Urne in die Erde herabgelassen wurde.
Zum Glück war die Erde nicht gefroren. Nach einer Weile löste Petra Gilberta beim Graben ab, während nun Gilberta die gesamte Umgebung im Blick behielt, falls sich jemand nähern sollte.
Es blieb alles ruhig. Schließlich hielt Petra die verdreckte Urne in ihren Händen, als wäre es das Kostbarste, was sie auf dieser Welt besaß. Und das war es schließlich auch.
Gilberta nahm ihr das Gefäß jedoch schnell ab und verstaute es in einen mitgebrachten Beutel. Im Anschluss daran
schaufelten sie die Grabstelle wieder in ihren ursprünglichen Zustand zurück.
Zwei verbündete Frauen - aus zwei unterschiedlichen Welten. Sie hatten nun ein Geheimnis.
Copyright Silvia Gehrmann
Fortsetzung folgt
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