"Das kleine Kloster-Cafe Marienwinkel"
Lars König
Vor ein paar Tagen hatte der evangelische Pastor Lars König den Weg in dieses Cafe gefunden. Er joggte regelmäßig durch den Wald, und dabei war ihm das kleine Lokal ins Auge gefallen. Das nahe Kloster kannte er natürlich, aber eben dieses Cafe war ihm vorher nicht bekannt gewesen.
Und Clara wartete seit seinem ersten Eintreffen im Kloster-Cafe sehnsüchtig darauf, dass er wieder den Weg hierher finden würde. Sie errötete, wenn er eine Bestellung aufgab und lief schnell in die Küche und zur Theke, um das Gewünschte zu holen.
Sr. Immakulata war die erste, die Claras heimliche Bewunderung zur Kenntnis genommen hatte, und somit war sie nicht länger nur heimlich. Sie hatte schon geahnt, dass es nicht Claras Berufung war, ihr Leben in einem Kloster zu verbringen - das hatte allerdings gar nichts mit dem Auftauchen des evangelischen Geistlichen zu tun, sondern nur mit Clara selber.
Sie sah die Lust auf Abenteuer und Leben in Claras Augen, einen tiefen unerschütterlichen Glauben konnte sie hingegen nicht feststellen. Clara hatte ihr auch von Patrick, ihrem Ex-Freund, erzählt. Aber seit zumindest ein paar Tagen schwirrte ihr ein ganz anderer Mann
im Kopf herum.
Die Patchwork-Familie
Zunächst jedoch hatte Immakulata vorwiegend zwei andere Leute im Blick. Dieses Paar, Oliver und Adeline, das auch seit kurzem regelmäßig ins Cafe kam, wohl, um sich ein wenig von der Welt zurückzuziehen. Oder aus ihrer eigenen Welt, die ihnen Sorgen bereitete. Das war deutlich. Sie sprachen leise miteinander, und sie lachten nie, nicht einmal ein Lächeln kam über ihre Lippen.
Es war Zeit, dass sie Gilberta an den Tisch der beiden schickte, damit sie mehr über den Kummer erfuhr, der dieses schöne Paar so unglücklich aussehen ließ. Also schickte sie Gilberta mit einer Schokoladentorte zu dem Paar, als Präsent des Hauses natürlich. Und natürlich war der Kuchen mit der phantastischen Schokolade aus Belgien gebacken.
Die war ein Stück des Himmels. Und sie würde die Zungen der beiden schon lösen - es war keine Neugier, die Immakulata oder Gilberta antrieben, es war der reine Wille, hier zu helfen.
Gilberta, die keine Hemmungen hatte, auch recht fremde Leute anzusprechen (sofern sie selber sie schon öfter gesehen hatte), war sofort bereit, ihren "persönlichen" Stuhl an den Tisch der beiden Gäste zu ziehen,
und die hatten kaum die Gelegenheit, ihr das zu verwehren, weil sie für jeden ein Stück Schoko-Kuchen als Geschenk mitbrachte.
Außerdem war eine Nonnentracht nicht selten von Vorteil: Die Leute waren respektvoller, ob sie gläubig waren oder nicht, ob sie wollten oder nicht.
"Der Kuchen schmeckt wunderbar", sagte Adeline, und das sogar mit einem Anflug von kleinem Lächeln, "ich backe auch gerne, und ich wüsste gern, welche Schokolade zum Backen verwendet wurde ..." sie machte eine kleine Pause und sagte dann:
"Eher habe ich bis vor kurzem gern gebacken. Jetzt bin ich froh, wenn ich noch irgendwas im Haushalt auf die Reihe bekomme. Ich fühle mich im Moment quer durch alle Gedanken gelähmt. Oder wie eine Porzellan-Figur, die zerbrochen ist."
Hier war der erste Schritt getan, und das wusste Gilberta.
"Bei uns zu Hause herrscht jeden Tag Krieg. Oliver und ich sind zusammen gezogen, weil wir uns lieben", fuhr Adeline fort, "aber Liebe reicht nicht, wie wir jetzt wissen. Unsere Kinder aus früheren Beziehungen machen jeden Tag zu einem Tanz auf dem Vulkan. Untereinander und vor allem gegen denjenigen von uns, der nicht ihre Mutter oder ihr Vater ist."
Copyright Silvia Gehrmann
Fortsetzung folgt
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