Donnerstag, 12. Dezember 2019
12. Dezember 2019 - Adventskalender 2019 - 12. Türchen
Die Sache mit dem Patchwork
Oliver und Adeline waren auf dem 2 Kilometer langen Rückweg durch den Wald. Es war bereits dämmerig, aber der Wald recht licht und noch stand ein Rest von Helligkeit am Himmel. Das Cafe schloss im Herbst- und Winterhalbjahr immer rechtzeitig genug, damit jeder noch unbesorgt den Weg durch den Wald nehmen konnte, ohne über Äste zu stolpern oder sich gar zu fürchten.
Oliver und Adeline fürchteten sich, aber nicht vor dem Wald, sondern davor, nach Hause zurückzugehen.
Ihre genaue und gerechtfertigte Furcht galt den drei Kindern. Zwei davon, die 13jährige Leonie und der 12jährige Ben waren Adelines Kinder aus ihrer geschiedenen Ehe, und die 13jährige Lissy gehörte zu Oliver, der verwitwet war.
Adeline bedauerte es inzwischen mehr als einmal täglich, dass Oliver Witwer war, und es somit keine Möglichkeit gab, Lissy auf Dauer bei ihrer leiblichen Mutter zu parken. Es hätte zumindest das Problem verkleinert,
aber insgesamt nicht aufgehoben. Denn Leonie und Ben intrigierten gegen Oliver, während Lissy gegen sie intrigierte. Und gemeinsam standen die drei sich wie eine verfeindete Bande gegenüber, die nur noch ganz knapp vom Kriegsführen abgehalten werden konnte.
Und das machte Oliver und Adeline mehr zu schaffen als alle anderen Probleme. Sie liebten sich, aber diese Liebe war zu einem fragilen Fragment geworden, das jederzeit unter der Last zusammen brechen konnte. Eigentlich blieb ihnen nur die Trennung übrig, obwohl sie erst seit einem halben Jahr in einer gemeinsamen Wohnung lebten. Das Zusammenleben als Patchwork-Familie hatten sie sich anders vorgestellt. Gut, ein paar Anfangsschwierigkeiten hatten sie durchaus kommen sehen, aber diese Unversöhnlichkeit ihrer Kinder nicht.
Die drei Kinder waren sich nur in einer Sache einig:
Ihre Patchwork-Familie zum Scheitern zu bringen, und zwar endgültig.
Oliver legte den Arm um Adeline, weil sie leise weinte. In ihm hatte sie nach ihrer Scheidung ein neues Glück gefunden, aber es wurde gnadenlos zerstört. Die Zerstörung ging so weit, dass sie beide nahe daran waren, sich voneinander zu entfernen. Daher genoss sie für diesen Moment seine Nähe und Zärtlichkeit,
denn sie wusste, dass sie ihr Liebesglück vielleicht den Umständen opfern musste.
Die letzte Stunde in dem kleinen Cafe hatten sie beide genossen, und sie genossen auch den Rückweg zu ihrem Auto,
aber dann mussten sie nach Hause fahren,
direkt ins Kriegsgebiet, direkt in den nächsten Horror.
Copyright Silvia Gehrmann
Fortsetzung folgt
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