24. Teil der Geschichte rund um
"Das kleine Kloster-Cafe Marienwinkel"
Trio Infernal
Natürlich waren die zwei Nonnen und die Novizin Clara kein höllisches Trio, aber eines mit dem himmlischen Hintergedanken, jeden einzelnen, der heute ins Cafe kam, höllisch glücklich machen zu wollen. Mit einem bisschen guten Willen hier und da und viel Glück auf der anderen Seite würde es genau so klappen, wie es sich besonders Immakulata in den Kopf gesetzt hatte. Jeder sollte am Ende dieser Heiligabend-Feier das Cafe hoffnungsvoller verlassen als er gekommen war. Manche sollten sich vielleicht auf einem guten Weg zum Glück befinden. Und andere nicht mehr so gänzlich unglücklich sein - wie Petra zum Beispiel. Immakulata hatte das Gefühl, dass sie bereits auf einem besseren Weg war als noch vor ein paar Tagen. Und irgendwie kam ihr auch der Gedanke, dass Gilberta daran nicht völlig unschuldig und unbeteiligt war. Aber sie fragte die Mit-Schwester nicht nach eventuellen Gründen, denn sie akzeptierte die Geheimnisse anderer Menschen - wenn diese sie offensichtlich ein wenig froher machten.
Die Fäden laufen weiterhin zusammen
Lars König hatte sich tatsächlich im Wald verfranst. Bevor er sich völlig verlief, und den für ihn sehr hoffnungsvollen Heiligabend verpasste, kurvte er seine Gedanken weg von Clara und hin zu der Konzentration auf den richtigen Weg. So schwierig war das doch nicht! Aber dann sah er immer wieder ihr hübsches Gesicht vor sich, und begann, laut zu singen: Stille Nacht, heilige Nacht ... während man sang, konnte man nicht so gut über schöne Möglichkeiten nachdenken, man sang einfach ... und nahm den richtigen Weg.
Doch zunächst klopfte Christian an die Tür des Cafes. Er hatte einen riesigen Streit mit Vanessa hinter sich, der darin gipfelte, dass sie ihn langweilig nannte und spießig. Wie konnte er nur seinen Heiligabend in einem Cafe verbringen, das zudem noch von Nonnen geführt wurde!
Christian konnte und wollte, auch, wenn er sich den Zauber selber kaum erklären konnte. In den letzten Jahren war er derart mit seiner Karriere beschäftigt gewesen, dass dieser Ort für ihn eine Art innere Heimkehr bedeutete. Er erinnerte ihn an seine Kindheit und an Geborgenheit. Vanessa hingegen war die Unruhe in Person. Es war zu einer Trennung gekommen,
die ihn jedoch weniger mitnahm als er angenommen hatte. Er war doch unsterblich in sie verliebt gewesen! Oder hatten ihm nur seine Gefühle einen Streich gespielt?
Gilberta öffnete ihm die Tür. Erleichtert sah sie, dass er ohne seine Freundin gekommen war. Das hätte ihr und Immakulata nämlich gar nicht in den Kram gepasst.
"Es ist schon gut, wenn man vor einer Heirat Klarheit bekommt", meinte Gilberta, völlig aus der Luft gegriffen und auch übergriffig. Aber Christian nickte nur. Er stimmte ihr also zu? Sie biss sich trotzdem auf die Zunge, um nicht noch mehr ihr nicht Zustehendes von sich zu geben.
Immakulata sah ihn voller Freude, und sie platzierte ihn zwischen Petra und Denise. Die Hunde schnupperten an seinem Hosenbein, und sie waren offenbar einverstanden, dass er dort saß. Vielleicht würde er auch ein paar Leckerchen verlieren?
Lars
war bei dem Lied "Macht hoch die Tür, die Tor macht weit ..." angelangt, als er vor dem Cafe stand und klopfte. Klopfte er wirklich mit seinen Fingern an die Tür - oder klopfte nur sein Herz? Und dann stand Clara vor ihm - die ihm die Tür geöffnet hatte. Sie wurde sofort wieder rot, aber diesmal flüchtete sie nicht, sondern lächelte ihn an. Er lächelte zurück und fand sogar ein paar Worte der Freude darüber, dass er eingeladen worden war. Zwar brachte er diese nur unter kleinen Stottereien zuwege, aber immerhin. Clara wies ihm seinen Platz zu, und später würde sie direkt neben ihm sitzen.
Die Tischordnung hatten Gilberta und Immakulata gemacht. Sie selber hätte sich vermutlich ganz weit weg von ihm hingesetzt, wenn auch ungern.
… Und eine kurze Zeitenspanne ruht. Die weite Erde, und das Flüstern schweigt ...
Hugo Marti (1893 - 1937)
Wer kennt nicht den Zauber von einem Heiligabend, an dem alles stimmt? Sr. Immakulata betrachtete ausgesprochen zufrieden die nun vollständige Runde. Gut, Bernhard fehlte, aber er würde sie irgendwann im neuen Jahr besuchen. Zunächst einmal war ihr Kalkül aufgegangen, denn alle, die sie eingeladen hatte, waren gekommen. Überdies sogar noch Gabrielle, die ihr mit jeder Stunde sympathischer wurde,
und die nun erst einmal den selbst gebackenen Schokoladenkuchen für alle servierte. Dazu gab es wahlweise Kaffee oder Tee, und für die Kinder, die sich bislang vorbildlich verhielten, Kakao.
Danach mussten die Erwachsenen den Glühwein probieren, den Gabrielle mit Schokolade verfeinert hatte. Sozusagen als Antriebmittel für ein paar Leute, die sich heute so wohl fühlen sollten, dass die zwei Nonnen am Ende zufrieden waren. Die Novizin Clara, so kam es Immakulata vor, befand sich bereits auf dem Absprung ... aus dem Klosterleben.
Sie und Lars waren plötzlich genug aufgetaut, um ein angeregtes Gespräch miteinander zu führen. Sie sprachen, wie Immakulata hörte, über den Schnee, der draußen lag ... kein inniges Thema, aber ein Anfang, eine Probe-Diskussion zumindest, für spätere tiefere Themen.
Die Stunden vergingen, und einiges fügte sich ganz nach den vorangegangenen Wünschen. Christian unterhielt sich angeregt mit Denise und Petra, und er verteilte seine Lächeln gleichermaßen an beide Frauen. Das machte Gilberta ein bisschen stutzig. Wie sollte sie das einordnen? Vorgesehen war immerhin, dass er mehr Gefallen an Denise fand.
Doch wie das mit den Vorsehungen ist: Mal treten sie ein, mal drehen sie noch eine Runde, bevor sie sich häuslich niederlassen.
Die Bescherung
Vor dem Abendessen gab es für alle eine kleine Bescherung. Es waren nur ein paar Kleinigkeiten aus der Küche, aber allesamt von Gabrielle noch an diesem Tag zubereitet. Plätzchentüten und Pralinen-Überraschungen, mehr nicht.
Nur für die 3 Kinder gab es ein etwas anderes Geschenk. Einer von Gilbertas Neffen war, ganz wie von einem Weihnachts-Wunschzettel in die Wirklichkeit gesprungen, Kinder-Psychologe. Aber vor allem unternahm er unregelmäßig mit Kindern ein Survival-Training in Wäldern. Das bedeutete für die Kinder, dass sie ein Team sein mussten - ob sie wollten oder nicht.
Diesen Neffen hatte sie für die Geschichte der Patchwork-Familie begeistern können. Somit bekamen Leonie, Ben und Lissy je ein Ticket für das nächste Training in freier Natur, und das würde bereits am 2. Januar beginnen. Es war durchaus gewollt, dass es in der Kälte stattfinden sollte.
Gilberta und auch Immakulata setzten all ihre Hoffnungen in die Veranstaltung, die so unbegründet nicht waren - wenn man sah, wie die Bande sich heute zusammen riss.
Oliver und Adeline freuten sich, dass ihre Kinder dieses "Geschenk" nicht von vorneherein und total ablehnten, sondern erstaunt entgegen nahmen. In Kindern steckten eben Abenteurer, und das konnte jetzt nur von Vorteil sein.
Foto: S. B. |
Die Überraschung
Kurz vor dem Abendessen, es war natürlich schon dunkel, sahen sie plötzlich einen Lichtschein, der ins Fenster kroch. Dort stand wohl jemand mit einer Laterne in seiner Hand ... aber: Es waren bereits alle Gäste anwesend, und sie unterhielten sich hervorragend miteinander, und vor allem würden sie untereinander auch die Kontakte halten.
Gabrielle strich Immakulata über den Rücken, und diese bekam eine Gänsehaut als Gabrielle sagte: "Deine Überraschung." Sie duzte die Nonne nun einfach, es klang wie selbstverständlich.
Immakulata ging zur Tür - und fiel einen Moment später Bernhard lautstark um den Hals. - Gilberta war ein bisschen erstaunt über die Leidenschaftlichkeit ihrer Mit-Nonne. Sie selber hätte sich niemals über irgendwas derart freuen können.
Bernhard schüttelte Schnee und seinen Mantel ab und setzte sich zwischen Immakulata und Gabrielle, seinen beiden liebsten Frauen auf dieser Welt.
Und Immakulata verlor ihr Lächeln an diesem Abend überhaupt nicht mehr,
auch, wenn sie wieder an ihre verlorene Tochter denken musste. Sie schickte ihr unbekannter Weise ein tiefes Gebet und sagte sich:
Eines Tages treffen wir uns. Eines Tages.
Ende
Copyright Silvia Gehrmann
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