Freitag, 8. Februar 2019

8. Februar 2019 - Wut



Wut

ist ein miserabler Ratgeber. Sie macht sich im Bauchraum breit, um sich auf dem Weg nach oben prall zu füllen - und aus dem Mund wieder herauszukommen. Damit setzt man sich nicht nur unbequem in die Nesseln, sondern bisweilen auch ins Unrecht. Die Wut des Gegenübers steigert sich auf die gleiche Art, und am Ende bleiben vielleicht zwei Feinde fürs Leben zurück. Besser üben, die Wut hier und da unerwidert herunterzuschlucken. Das ist manchmal überhaupt nicht einfach, ich weiß, wovon ich schreibe ...

Eine Wut konnte ich nicht herunterschlucken: Als meine Freundin Inge sich vor Jahren das Leben nahm, hatte ich keinen Anflug von Trauer - aber einen riesigen von Wut. Die ist zwar inzwischen verebbt, aber die Trauer habe ich einfach übersprungen, und die Wut ist nun einer Erinnerung an gute - aber auch nicht so gute Zeiten gewichen. Wenn ich mir jedoch diese Tage nach ihrem Suizid vor Augen führe oder mit Menschen, die sie auch kannten, darüber spreche, empfinde ich noch immer dieselbe Wut.

In anderen Fällen ist die Wut eine schnell entflammbare, die genau so schnell im Vergessen mündet, weil die Situationen eigentlich keine Gefühlswallungen erforderlich machen. Das kann der Radfahrer sein, der auf dem Gehweg bemüht ist, alle Fußgänger beiseite zu biken - dem stellt man sich einfach in den Weg, ohne einen weiteren Gedanken daran zu verschwenden, und wortlos hat man ihm eine Lektion erteilt. Die vermutlich nur von hier bis zur nächsten Ecke anhält, aber immerhin ist er dann auch zumindest ein bisschen wütend.

Wütend auf sich selber sein kann hier und da berechtigt oder lehrreich sein. Warum habe ich dieses oder jenes nicht getan, als es noch Zeit war - und warum habe ich mich derart in eine Gegend drängen lassen, in die ich nicht gehöre? Es gibt viele Möglichkeiten, sich selber mit Wut zu überschütten - am Ende bringt es einen nur insofern weiter, wenn man in einer späteren ähnlichen Situation einfach anders handelt, um mit sich zufrieden sein zu können.

Ansonsten mal die Wut in einen engeren Rahmen zwängen und sie abfedern oder gar nicht erst aufkommen zu lassen. Schwierig, ich weiß. Aber: Was bringt es schon, sich über Dinge bis hin zur Wut zu ärgern, die man ohnehin nicht ändern kann.

Für alle anderen Dinge, die man ändern kann, nützt auch die Wut nichts, sondern geschicktes Handeln im entscheidenden Moment.

Vor lauter Wut eine Tasse an die Wand pfeffern, kann durchaus befreiend sein - aber noch befreiender ist es, wenn man genau dies sein lässt und etwas fürs Leben lernt. Na ja, bevor man lernt, darf trotzdem mal die eine oder andere Tasse dran glauben.

Wut im Internet? Noch einmal eine andere Geschichte ... Hier gilt: Der kühle Kopf geht vor dem Um-Kopf-und-Kragen schreiben.


Guten Tag, Gruß Silvia


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