Der Geburtstag meiner Mutter
Sie hatte diese ostpreußische Seele, deren Seelenverwandte sie in Westfalen vermutlich ihr Leben lang vermisst hat. Aber die Kriegswirren hatten sie bereits als Kind über Dänemark in den Westen nach Dortmund verschlagen. Dort lernte sie später meinen Vater kennen - den eher wortkargen Typ Mensch, der es mehr mit Taten hielt als mit ausufernd formulierten Wörtern.
Meine Mutter hingegen liebte den Umgang mit gesprochenen und auch geschriebenen Wörtern. Sie verfasste schon früh Gedichte - und wenn sie in ihrer Freizeit nicht gerade selber etwas schrieb, versank sie in Büchern.
Mein Bruder und ich waren beide Wunschkinder. Dass Heinz schließlich mehr ihren Wünschen entsprach als ich, lag an unseren unterschiedlichen Charakteren.
Denn meine Mutter und ich - wir waren uns viel zu ähnlich. Oft genug hatte mein Vater seine große Not damit, uns beide wieder auf Kurs zu bringen, was ihm meistens gelang. Er mochte Streitereien überhaupt nicht, musste aber immer wieder mal schlichtend in unsere eingreifen.
Es folgten nach einem Schicksalsschlag Jahre, in denen meine Mutter Christel und ich uns wiederum bestens verstanden - nachdem alle Fronten ein für alle mal geklärt waren.
Dann folgten unsere schweigenden Jahre. Wir verloren nach dem Tod meines Vater fast völlig den Kontakt. Die Gründe dafür waren nichtig und dumm.
Am Ende ihres Lebens jedoch war es ihr wichtig, von mir Abschied nehmen zu können. Und da sie ebenso wenig ein sentimentaler Mensch war wie ich einer bin, so hatte dieser Abschied und die kurze Wiederannäherung auch nichts Rührseliges an sich. Alles war beinahe friedlich - denn ein kleiner Streit zwischendurch musste trotz des Angesichts ihres Todes sein - und ansonsten einfühlsam, ohne melancholisch zu werden.
Heute am 4. Februar wäre sie 89 Jahre alt geworden. Gestorben ist sie in 2010.
Und ich bin froh, gerade sie zur Mutter gehabt zu haben - mit allem, was dazu gehörte, denn es hat mich für mein Leben geprägt. Ich habe schließlich auch viel von ihr gelernt - obwohl ich trotz aller Ähnlichkeit mit ihr nicht
ganz so gelassen bin wie sie es war.
Mir fehlt ihr trockener, manchmal böser Humor, genau so wie ihr glockenhelles Lachen in den schönen Momenten des Lebens.
Guten Tag, Gruß Silvia
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