Donnerstag, 2. April 2015

1. April 2015 - ARD - Nackt unter Wölfen


Nackt unter Wölfen

Und doch ist kein Tier derart grausam, gnadenlos, erbarmungslos, mitleidlos wie der Mensch in seiner ihm selbst zugeschriebenen Allmacht und der immer wieder kehrenden Gier, über anderes Leben entscheiden, richten und es vernichten zu wollen. Wie ein Hohn klingen die Worte, die am Eingang vom KZ Buchenwald stehen: Jedem das Seine. Die Helfershelfer im dritten Reich sind auch keine, die jemals einen Schafspelz trugen - sie verkörpern das Böse an und für sich in endloser Ausdehnung bis hin zum für die Mehrheit der Menschen Unverständlichen, Unbegreiflichen.

In den letzten Tagen vor der Befreiung des KZ Buchenwald durch die Alliierten setzt die Handlung des aufwühlenden Filmes ein: Ein kleiner Junge, vielleicht drei Jahre alt, wird in das KZ in einem Koffer eingeschleust. Seine Eltern sind tot. Und der Junge verängstigt. Wie ein dressierter Hund rollt er sich in sich zusammen, sobald das Wort "SS" fällt - als wäre er dadurch unsichtbar.

In dem Film geht es um die moralische Frage unter den Gefangenen, wie man mit solch einer Situation umgeht. Wie menschlich sind sie selbst noch unter der dünnen Haut der geknechteten Kreatur, wie viel Empathie können sie noch aufbringen? Die menschliche Seite, helfen zu wollen, rebelliert gegen die menschliche Seite, die eigene Haut zu retten: Denn der Junge könnte ihre Pläne vereiteln und sie selber in den Tod schicken.

Denn nicht nur unter den Wärtern gibt es Abgründe in den abgeschafften Seelen, auch die Gefangenen, die hier ihre Pöstchen bekommen haben - sind nicht gerade zimperlich im Umgang mit den eigentlich Gleich-Gesinnten-Verdammten. Wie viel Menschlichkeit bleibt, wenn nur das blanke Überleben zählt? Wenn der Mensch eigentlich schon restlos damit überfordert ist, das eigene Leben zu schützen?

Der Film erzielt seine Authentizität aus den Darstellern, sowohl denen auf der schauspielerischen Seite - als auch auf der Seite der Statisten. Es macht die Dramen sichtbar, wenn man die ausgemergelten Körper sieht und die eingefallenen hoffnungslosen Gesichter. Und die Folter wird auch nicht ausgespart, die das vorherrschende Element war und sowohl Körper als auch Seelen auf immer zerstört hat.

Im wahren KZ Buchenwald überlebte ein ebenso kleiner Junge - neben einigen anderen Kindern unter vierzehn Jahren. Dass das Buch, in der ehemaligen DDR schon einmal verfilmt, den heroischen Kommunisten gewidmet war, die auch hier im Film Hauptrollen spielen - ist nicht mehr erkennbar: Denn wer ist schon ein wirklicher Held, wenn es eher der Mut der verzweifelten Rest-Menschlichkeit ist, der einen antreibt? Oder der Wunsch, überhaupt ein Mensch bleiben zu wollen, und sei es das Letzte, was man noch tun kann.

Ein sehenswertes Stück Geschichte,  manchmal schwer zu ertragen, das den einen Nachteil hat: Es ist ein wahrer Teil der abgrundtief bösen deutschen Geschichte.

Guten Tag

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