Montag, 12. Januar 2015

11. Januar 2015 - Eins Festival - Nie mehr wie immer

Foto: M. R.
Nie mehr wie immer

Das größte Grauen liegt im Schlafzimmer nebenan. Denn ein gemeinsames haben sie nicht mehr, dafür haben sie sich in ihrer Welt so gut eingerichtet wie es eben möglich und bequem ist. Viele Worte brauchen sie nicht, es herrscht ein stillschweigendes Einverständnis zwischen dem langjährigen Ehepaar Melanie und Walter. Ein Schweigen, das sich im Laufe der Jahre aufgebaut hat - weil zu viele Worte zerstörerisch sein könnten?

Ist Melanie wirklich so ahnungslos wie sie sich gibt? Oder hat sie nur erfolgreich  alle Zweifel verdrängt für die vermeintlich sichere Seite eines bequemen Lebens. Kann man solch perverse Neigungen des Ehepartners in der Tat übersehen, gab es niemals Hinweise darauf  - oder will in diesem Fall Melanie keine Störung ihres Eierkuchen-Lebens?

Es ist ein Film, ein Kammerspiel. Zwei Schauspieler, die auch im wirklichen Leben miteinander verheiratet sind, sind aufeinander eingespielt und jeder gibt dem anderen genug Raum zur Entfaltung seiner Film-Figur. Einen besseren Schauspieler als Edgar Selge für die Rolle des im Grunde schwachen und vielleicht auch von sich selbst angewiderten Menschen hätte man nicht wählen können.

Und im Film bröckelt schließlich die selbst er-logene und lange gezüchtete Idylle, und die heile Welt wird unumstößlich zerstört.

Ein paar seltsame Vorgänge geschehen. Eine Todesanzeige flattert am Geburtstag Walters  ins Haus: Die Tochter der ehemaligen Haushälterin hat sich das Leben genommen.

Walter fällt in sich zusammen. Melanie steht fragend dort, und man fragt sich, ob sie nicht schon mal früher ein paar Fragen gehabt haben könnte. Eine Aussprache mit der ehemaligen Haushälterin bringt das Böse ans Tageslicht: Walter hat die Tochter als Kind missbraucht.

Nun ist es selbst für Melanie unausweichlich, der bitterbösen Wahrheit ins Gesicht zu sehen.

In den menschlichen Abgründen verflochten, geht die allzu heile Welt entzwei.

Am Ende steht Melanie an der wie ein Synonym daher kommenden zerbrochenen Fensterscheibe und blickt auf ihr kaputtes Leben. Und sie trauert. Doch um wen? Um sich selber, um ihren Mann? Weniger vermutlich um das von ihm missbrauchte Mädchen, das letztlich keinen anderen Ausweg als den Suizid wusste.

Und die Frage bleibt: Kann man einen anderen Menschen jemals in all seinen Eigenschaften kennen lernen? Oder will man das gar nicht. Auf Melanie trifft Letzteres zu.

Guten Morgen, Gruß Biene

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