Am Ende des Sommers
Es bedeutet auch das Ende einer unbeschwerten Kindheit für den Sohn und dem nun folgenden Erwachsen werden, und vielleicht der Beginn des Loslassens bitterböser Erinnerungen der Mutter. Sein Leben lang hat Silvia ihren Sohn Ben mit einer Lüge über seinen Vater bedient: Eine große, aber flüchtige Affäre während einer Interrail-Fahrt, die seine Eltern mit aller Wucht und Leidenschaft getroffen hat - doch man hat sich schnell wieder getrennt, ohne mehr voneinander zu erfahren als die Vornamen.
Die Wirklichkeit hat mit diesem Traum-Gebäude überhaupt nichts zu tun, denn Silvia wurde mit sechzehn Jahren vergewaltigt, und aus diesem Verbrechen heraus wurde Ben geboren. Dass sie sich damals gegen eine Abtreibung entschieden hat, ist nicht wirklich nachvollziehbar - und darum versuche ich das an dieser Stelle erst gar nicht.
Mutter und Sohn sind ein tolles Gespann, immer füreinander da - und sie lieben sich über alles. Dass in einer Szene, als Ben seine Mutter spielerisch-ernst gewaltsam packt - dann Erinnerungen an seine Zeugung in Silvia aufkommen: Wer könnte das nicht verstehen? Wie oft es in beider achtzehnjähriger gemeinsamen Vergangenheit zu ähnlichen Szenen gekommen sein mag? Wie oft Silvia in ihrem Sohn den Vergewaltiger gesucht hat oder erkennen konnte?
Zur Abmilderung bemerkt eine frühere Freundin Silvias, dass er nur seiner Mutter sehr ähnlich sähe. Das wird die Mutter-Sohn-Sache sicherlich erleichtert haben.
Ben kommt durch einen Zufall dahinter, dass sein Erzeuger der Vergewaltiger seiner Mutter ist. Er macht sich auf die Suche, wird fündig - und kann sich schlagkräftig rein äußerlich von den bösen, ihm erst kurz bekannten Dämonen befreien.
Silvia, von Beziehungsunfähigkeit geplagt, findet durch die Wahrheit letztendlich auch zur inneren Ruhe, soweit dies möglich ist - und zu einem verständnisvollen Partner.
Ein harter Stoff, der keine allgemein gültigen Antworten geben kann, und dies auch gar nicht versucht. Mit auf den Weg gegeben ist die Tatsache, dass die als Sechszehnjährige vergewaltigte Silvia ihr daraus entstandenes ungeborenes Kind - schon im Mutterleib so sehr geliebt hat, dass sie keine Anstalten gemacht hat, seine Geburt zu verhindern - oder es zur Adoption frei zu geben.
Das ist eine Form von Mutterliebe - die man wirklich nicht so leicht begreifen kann.
Guten Tag, Gruß Biene
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