Samstag, 25. April 2020

25. April 2020 - Bienchens Geschichte - 7. Teil



Was passiert nun mit Bienchen?

Es war nicht absehbar, wie lange meine Mutter im Krankenhaus bleiben musste. Die Liste ihrer größeren und kleineren Erkrankungen war lang. Am meisten litt sie jedoch darunter,

dass Bienchen allein in ihrer Wohnung war. Immer kurz ausgeführt und gefüttert von Paul, aber eben endlose Stunden und Tage völlig einsam.

Dass sie diesem Paul noch Geld zukommen ließ, und das ohne irgendeine Bedingung in der Richtung, Bienchen doch bitte in seine Wohnung mitzunehmen ... habe ich nicht verstanden. Sie akzeptierte Pauls krude Ausrede, dass Bienchen keine Stufen laufen mochte ...

Mir war längst klar, dass ich Bienchen mit ins Ruhrgebiet nehmen würde - aber bis zu meiner Abreise musste sie leider in der ihr bekannten Umgebung bleiben. Völlig verwaist, nicht wissend, was passieren würde - und todtraurig.

"Ich weiß, dass Bienchen bei dir gut aufgehoben ist", sagte meine Mutter.

Aber während meiner Nicht-Anwesenheit in der Klinik war Paul offenbar auch noch mindestens einmal da. Er bearbeitete meine Mutter, mir Bienchen nicht mitzugeben. Immerhin würde er sich kümmern ... Wenn das Kümmern sein sollte,

wollte ich nicht wissen, wie es aussah, wenn er sich nicht kümmerte.

Dieses Paul-Kümmern muss von dem Wort "Kummer" abstämmig sein - ein Kümmern mit Kummer-Ergebnis.


Urlaubstage? Oder was?

Robin Hund, mein einzigartiger Yorkshire-Terrier,  empfand diese Woche in Zell als Urlaubszeit. Es gab viel zu schnuppern, viele ihm unbekannte Hunde-Wesen zu treffen und ich musste mir unterdessen

Gedanken darüber machen, wie Robin es aufnehmen würde, wenn wir Bienchen mit nach Hause nähmen.

Er sei ein Einzelkind, meinten Freunde damals, die ihn gut kannten. Also, natürlich meinten sie Einzelhund. Wir verwechseln hier schon nichts. Mein größter Wunsch jedoch war immer und schon immer

ein Hund! Einen Kinderwunsch hatte ich nie. Und Robin wollte ich natürlich nicht unglücklich machen, wenn ich ihm ungewollt Bienchen hinzu gesellte.

Doch soweit waren wir noch nicht. Es war möglich, dass meine Mutter irgendwann wieder nach Hause könnte. Wie wahrscheinlich das sogar war, erfuhr ich genau 12 Stunden vor ihrem Tod von ihrer Ärztin, die mich anrief. Aber dazu später ein ausführlicher Bericht.

Zunächst einmal ging es nur um Erste Hilfe in Bienchens großer Not. Wie sich alles entwickeln würde, könnte man dann sehen.

Robin genoss derweil seinen Urlaub. Er liebte ihm unbekannte Gegenden.

In den folgenden Tagen fuhr ich entweder mit dem Bus oder mit einem Taxi zum Krankenhaus hinauf. Endlich einmal kein Paul! Robin musste in der Zeit meiner Krankenbesuche im Hotelzimmer bleiben.

Die damalige Hotelbesitzerin (damalig, weil ich nicht weiß, ob es ihr heute noch gehört) bot an, auf ihn achtzugeben. Aber ich bat sie nur, dass während meiner Abwesenheit niemand (kein Zimmermädchen) das Zimmer betreten möge - es wäre nämlich denkbar gewesen, dass Robin aus dem Zimmer entwischt wäre ... um mich zu suchen. Immerhin war dies auch für ihn eine fremde Umgebung, in der er nicht gern allein war.

Das klappte alles hervorragend.

Nicht so hervorragend verlief indes die nächste Visite im Krankenhaus. Der Stationsarzt musste meiner Mutter eröffnen, dass sie nun auch noch ein Karzinom hatte.

Ich wollte sie trösten ... aber das hielt sie nicht für nötig. Sie sagte die Worte, die ich nie vergessen werde:

"Ich bin 80 Jahre alt. Das reicht."

Ja, Mama, dachte ich, und wir sehen uns nach 15 langen Jahren wieder, aber du stirbst dann doch lieber.

Dennoch war ich dankbar, wie gelassen sie das neuerliche Urteil hinnahm, nun auch noch Krebs zu haben.

Operiert werden konnte sie wegen ihres schlechten Allgemeinzustandes momentan nicht. Aber der Krebs brachte eine andere Schwierigkeit mit sich:

Sie sollte nach Trier verlegt werden. Die genauen Gründe habe ich nicht mehr präsent, aber ich weiß, dass sie damals für mich nachvollziehbar waren.

Also sprachen wir erneut über Bienchen ...

Sie erzählte mir ein paar Dinge über die kleine Malteserin, z. B., dass sie Angst vor Gewitter und Feuerwerk hätte. Aber auch, dass sie bald

läufig werden würde.

Hallo! Das war ein Problem! Und zwar für den intakten Rüden Robin!

Hundebesitzer wissen, wovon ich schreibe: Einen unkastrierten Rüden mit einer läufigen Hündin in einer Wohnung zu halten, ist eine Katastrophe.

Doch diese Hürde würde ich später nehmen. Erst einmal ging es nur darum, Bienchen aus ihrem einsamen Gefängnis zu befreien.


Fortsetzung folgt
Copyright Silvia Gehrmann




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