Nach kurzer Zeit waren meine Mutter und ich wieder so sehr ein Herz und eine Seele, wie es uns beiden möglich war. Weder war sie, noch bin ich nachtragend. Der Streit wurde also schnell beigelegt, und sie erkundigte sich nach ihrem Malteser-Hündchen Bienchen.
"Warum muss sie in deiner Wohnung so allein sein?" fragte ich, "Paul und seine Freundin könnten sie doch längst zu sich nach oben geholt haben."
Das machte auch meine Mutter sehr traurig, und sie verstand es nicht. Ein paar Tage später verstand ich es um so besser, aber bislang kannte ich Paul kaum, und obwohl ich auch nicht die Absicht hatte, ihn näher kennen zu lernen noch das Verlangen danach hegte, lernte ich ihn kennen. Noch hatte er diese diffuse Angst vor mir, noch ließ er mich nicht tiefer blicken. Was nicht an ihm lag, sondern an meiner eigenen Oberflächlichkeit, die ich in diesem Theater spielen wollte. Aber das sollte sich ändern. Manche Menschen verraten sich einfach selber, ohne dass ihnen das weiter auffällt ...
Meine Mutter, die sich trotz ihrer diversen Erkrankungen nur Sorgen um ihre kleine Hündin machte, tat mir von Herzen leid. Aber sie verstand, dass ich Bienchen nicht mit in mein etwas später zu suchendes Hotelzimmer nehmen konnte - damit sie nicht noch heftiger fremdeln musste.
"Das hätte ich von Paul nicht gedacht", meinte Mama Christel resigniert.
Nun ja, sie sah diesen Paul aus einer etwas verklärten Position. Ich war diesbezüglich nicht vorbelastet, mich interessierte er nicht, und ich könnte ihn so sehen wie er war, ohne Scheuklappen aufzuhaben.
"Er hätte auch Robin bei dieser Hitze allein im Auto gelassen", erklärte ich ihr, "weil er mir nicht mal ein paar Minuten mit dir allein gegönnt hat. Anständig ist das nicht von ihm. Und Robin allein im Auto lassen ... dadurch hat er beinahe verhindert, dass ich dich jetzt schon besuchen kann. Ich kenne deinen Paul nicht, aber mir ist der nicht geheuer."
Das war eine Aussage meinerseits, die sie ihrerseits in die Verteidigungs-Position für Paul bugsierte. "Was du immer hast", schimpfte sie, "er ist in Ordnung. Er kümmert sich um mich. Und auch um Bienchen. Dass er sie nicht in seine Wohnung holt ..."
"... ist mehr als seltsam und dem Hund gegenüber traurig."
Ich blieb eine Weile bei meiner Mutter, aber ich erinnere mich nicht genau, ob wir bereits über Bienchens Zukunft, nur die nähere Zukunft wohlgemerkt, sprachen. Denn meine Mutter hatte die feste Absicht, bald wieder nach Hause zu können ...
Ich sprach noch mit ihrem Stationsarzt, und hatte nicht die gleichen Hoffnungen wie sie.
Aber erstmals schwirrte auch mir dieses süße Bienchen und seine Zukunft im Kopf herum.
Am Ende des Besuches bat meine Mutter mich, ihr ein paar hundert Euro mitzubringen - die würde ich in einem bestimmten Schrank an einer bestimmten Stelle in ihrem Wohnzimmer finden.
Hotelsuche und Bummel durch Zell
Robin hatte es sich auf Pauls Schoß bequem gemacht. Dieses Bild fand ich vor, als ich die Klink verließ. Paul konnte also doch kein schlechter Mensch sein, dachte ich noch ... obwohl? Robin liebte es, sich durch die Zuwendung anderer Leute Abwechslung zu verschaffen. Es bedeutete also nicht allzu viel ...
Paul ging auch noch zu meiner Mutter, und dann fuhren wir in den Ortskern von Zell zurück. Dort ging ich zur Touristen-Information bezüglich eines Hotelzimmers. Fündig wurde ich schnell (siehe obiges Foto, das war mein Aufenthaltsort für die nächsten Tage).
In diesem Haus war auch Robin willkommen.
Nachdem ich mein Gepäck verstaut hatte, machten wir zwei uns auf den mir schon von vielen Besuchen her sehr bekannten Weg durch Zell an der Mosel. Robin war zum ersten Mal hier, und er mochte neue Orte sehr. Ich war erst einmal froh, Paul los zu sein. Wir würden uns am nächsten Tag wiedersehen, damit ich in der Wohnung meiner Mutter das Geld holen konnte, das sie anscheinend dringend ausgerechnet im Krankenhaus brauchte.
Mir fiel noch ein, dass auch ich Paul für seine Fahrdienste etwas Geld anbieten müsste - dass er am Ende von mir keinen Cent bekam, hatte allerdings seinen Grund.
Fortsetzung folgt
Copyright Silvia Gehrmann
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