Freitag, 10. April 2020

10. April 2020 - Bienchens Geschichte - 1. Teil


15 lange Jahre

"Meine Tochter kommt, meine Tochter" - hat meine Mutter laut den Krankenschwestern großspurig angekündigt, als sei ich, die Tochter, die absolut große Nummer.

Ich war es für sie nicht. Denn meine Mutter hatte mich 15 Jahre lang nicht mehr gesehen. Auf ihr Bestreben hin, denn,

ob es wirklich ihr Wunsch war, lässt sich nicht mehr feststellen. Zumindest ein wenig und nach derzeitiger Kenntnis  wurde sie auch gesteuert.

Seit dem Tod meines Bruders war sie nicht mehr die ostpreußische Prinzessin, sondern die Frau, die die Einsamkeit suchte. Um so mehr nach dem Tod meines Vaters in 1993.

Ihr beinahe einziger Partner in dieser Einsamkeit hieß Paul. Er hatte das Haus gekauft, in dem sie eine großzügige Wohnung bewohnte,

und über ihn schreibe ich später mehr, denn einen unschuldigen Paul gab es nicht. Vermutlich war er nicht einmal unschuldig an ihrer großen Distanz zu mir, die er aus völligem Eigennutz unterstützten musste und wollte.

Beinahe hätten wir uns zuvor schon einander angenähert, was diesmal von meiner Mutter ausgegangen wäre - aber Paul hat das geschickt unterbunden. Das ist Fakt. Keine Vermutung.

In diesen 15 Jahren haben meine Mutter und ich  jedoch nie völlig den Kontakt zueinander verloren. Ich rief sie manchmal an. Mal war sie freundlich und konnte sogar hier und da mit mir  lachen, mal fragte sie barsch, was ich denn wolle und beendete das Gespräch so schnell wie möglich. Und dann  war das immer sehr, sehr schnell.

Auch ich habe einige Male einfach aufgelegt.

Erst viel später ist mir aufgegangen, was dort wirklich ablief. Aber ich hätte wenig tun können, denn sie hielt große Stücke auf ihren Paul. Er ist so alt wie ich, und seine Eltern kamen aus Ostpreußen wie meine Mutter. Er hatte ein Lebensgefährtin, die ein paar Monate nach meiner Mutter starb. Für sie hatte meine Mama Christel kein so großes Herz,

denn Paul stellte so etwas wie ihren Sohn-Ersatz dar.


Die Polizei

stand an einem Abend im Juni 2010 plötzlich vor meiner Tür. Eine völlig neue Erfahrung. Aber sie zeigte, wie hierzulande alles funktioniert und Hand in Hand geht:

Die Zeller Polizei hatte in ihrer Wohnung nach meiner Adresse geforscht, weil meine Mutter die nicht auswendig kannte (ansonsten war sie jedoch sehr klar und schnell nach ihrem Auffinden wieder zeitlich und räumlich orientiert).

Sie fanden einen Briefumschlag mit der Anschrift meiner Mutter, neben der ich geschrieben hatte:

Neben dem Kartoffelacker rechts. Die Großspurigkeit einer Großstädterin, aber ich wollte meine Mutter damals auf die Spur bringen, auch ins Ruhrgebiet zurückzukehren.

Ein Polizeibeamter aus Zell a. d. Mosel nahm den Umschlag an sich, denn auch meine Anschrift stand als Absender darauf.

Im Zuge der Amtshilfe wurde die Polizei in unserer Stadt gebeten, mich aufzusuchen, um mir von dem Krankenhausaufenthalt meiner Mutter zu berichten.

Das war Paul sicher nicht wirklich recht. Zumindest half er nicht bei der Suche, obwohl er genau wusste, wo all ihre Unterlagen (und mehr) sich befanden.

In der Folge telefonierte ich zunächst mit dem Krankenhaus in Zell und avisierte mein Kommen für die nächsten Tage. Von Jetzt auf Gleich konnte ich natürlich nicht hier alles stehen und liegen lassen, aber es vergingen nur 2 Tage, und ich saß mit Robin Hund im Zug nach Bullay an der Mosel.

Zuvor hatte ich auch noch mit dem zuständigen Polizeibeamten mehrmals telefoniert, der sehr viel Anteil nahm und mich bat,

ihn in seinem Revier in Zell zu besuchen.

So beginnt Bienchens Geschichte. Bienchen selber kannte ich nur aus den Erzählungen meiner Mutter. Die kleine Malteserin war drei Monate älter als mein Yorkshire-Terrier Robin. Sie wurde am 13. Oktober 2003 geboren.


Fortsetzung folgt
Copyright Silvia Gehrmann


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