Ein Beitrag von Anna
Als Bewohnerin der Berliner City sehe ich täglich viele Menschen, die am Rande der
Gesellschaft leben.
Gewollt oder durch Schicksalsschläge gestrandet, bevölkern sie die Innenstadt.
Eine davon ist eine Afrikanerin , die sich die Grünanlagen vor meinem Wohnhaus als
neue Heimat aussuchte.
Jeden Morgen kam sie aus der U-Bahn mit 2 Rollkoffern und diversen Tüten und machte
es sich bequem. Das ist ihre gesamte Habe.
Eine Bank in meinem Blickfeld war ihre Sommerwohnung, sehr zum Leidwesen der
zuständigen Hausmeister, die morgens ihre Hinterlassenschaften wegputzen mussten.
Mein erster Blick morgens vom Balkon fiel immer auf Rose, die natürlich ganz anders heißt.
Starr und unbeweglich saß sie da und schaute auf den Verkehr.
Am Tag als der Regen kam:
Wieder saß Rose da und auch die großen Linden konnten nicht verhindern, dass sie
nass wurde.
Aus meiner Schirmsammlung nahm ich einen besonders bunten und lief zu ihr hin.
Mein Gruß und der angebotene Schirm wurden ignoriert. Starr schaute sie geradeaus.
Plötzlich stand ein großer Schwarzer neben mir, sagte, das ist nett, dass sie der Schwester
helfen wollen.
Ich wollte ihr auch gern Tee und Brote bringen.
Er sagte ihr das, daraufhin holte sie tief Luft, dann spuckte die schöne Rose in ihren
Lumpen uns vor die Füße.
Gezielt, erst bekam er etwas ab und dann ich.
Frei nach Loriot: ich will doch nur hier sitzen.
Ich war entsetzt und dachte mir, was habe ich jetzt falsch gemacht.
Da ist jemand obdachlos, lebt auf der Straße, und findet das normal.
Nachbarn erzählten später, sie wurden auch mit ihren Hilfsangeboten zum Teufel gejagt.
Es ist das gute Recht eines Menschen ungewollte Hilfe abzulehnen. Dann sitze ich aber
nicht täglich vor Schmutz starrend in den Grünanlagen, benutze die Blumenbeete
als Toilette und lass meine Lumpen liegen.
Die Hilfe des Hausmeisters, der ihre Bank wieder herrichtet ist scheinbar selbstverständlich.
Trotzdem kann ich gerade jetzt in der Zeit der Besinnung nicht wegschauen wenn
Menschen frieren und Hunger haben.
Also gibt es weiterhin für den Schnorrer am Bahnhof einen Euro für den nächsten Drink,
der ihm sein Elend erleichtert.
Jetzt noch schnell 2 Päckchen packen und zur Sammelstelle bringen für Kinder
in Rumänien.
Rose hat mich irgendwie aufgerüttelt aber von meinem Mitgefühl für Menschen
denen es nicht so gut geht, hat sie mich nicht geheilt.
Es ist jetzt 20 Uhr, es sind nur 5 Grad und Rose sitzt seit 2 Stunden auf der Bank.
In ihrer Heimat hätte sie das gleiche Elend, aber es wäre warm.
Wenn sie am Heilígabend wieder dort sitzt, gehe ich trotzdem hin.
Die Bänke wurden weggeräumt, 2 blieben stehen, Roses ist dabei.
Ich wünsche ihr , was immer sie sich erhoffte, dass es in Erfüllung geht.
Anna
Liebe Anna, bisher hat mich ja jeder Adventskalenderbeitrag begeistert, aber deiner hat mich wirklich umgehauen. Diese klare unprätentiöse Sprache, diese ehrliche Auseinandersetzung auch mit der eigenen Hilflosigkeit. Ganz vielen Dank dafür.
AntwortenLöschenNoch mehr Dank natürlich für den Inhalt deines Textes. Ich selbst bin die Diskussionen gerade mit sozialpolitisch engagierten Freunden so leid, darüber, dass es falsch ist, wenn ich einfach immer jedem etwas gebe. Aber genau wie du, finde ich, es ist der instinktiv menschlichste Reflex, hin zu gucken und zu helfen. Es steht mir doch nicht zu, demjenigen vorzuschreiben, wofür er meine milde Gabe sinnvollerweise zu verwenden hat. (Der kauft sich davon ja doch nur den nächsten Schnaps, ja und?)
Bemerkenswert finde ich aber auch, dass deine Nachbarn ebenfalls bereits hilfsbereit waren, findet man hier nicht so häufig, Hättest mal lesen sollen, was in HH-Harvestehude los war (feines Alsterquartier) als dort kürzlich überlegt wurde, in einem stillgelegten Bundeswehr Gebäude syrische Flüchtlinge einzuquartieren.
Also nochmal danke für so einen starken Start in den Tag, Susi
Ich schließe mich dir an, Susi. Und danke Anna für diesen Beitrag!
LöschenDanke Susi, ich habe BB nach deinem Kalenderbeitrag mitgeteilt, dass mich
AntwortenLöschendas Schicksal deiner Familie, die Stärke die ihr dabei zeigt, sehr berührte.
Hatte gar nicht mitbekommen, dass man auch im Kalender Kommentare abgeben kann.
Ich glaube wir sind auf einer Wellenlänge.
Liebe Grüße aus Berlin von einer schniefenden Anna
Eine kleine Anmerkung in der Kalender-Sache: Hein Mück habe ich nicht gefragt, ob sie einen Beitrag schreiben möchte - da zu der Zeit, als sie sich uns angeschlossen hat, alle Beiträge schon fest standen. Aber es gibt ja einen neuen Advent in einem neuen Jahr.
AntwortenLöschenLieben Dank, Biene, dass Du auch an mich gedacht hast!
AntwortenLöschenBin zur Zeit rechnerlos, der Klappmaxe macht schlapp, deshalb nur kurz mit Zweifingersuchsystem vom i-Päd.
Ich selber spende auch oft was, wohl wissend, dass dafür lediglich Alk gekauft wird. So what? Ein Obdachloser hat mir daraufhin einen schönen Tag gewünscht. Ich habe darauf geantwortet: "Ihnen auch!" Ein "Du"wäre mir nicht über die Lippen gekommen, ist doch von der Würde dieses Menschen nicht mehr viel übrig.
LG in die Runde
Och schade, ich mein dass dein Rechner streikt, hab dich schon vermisst...bis hoffentlich bald, liebe Grüße Susi
LöschenDa schließe ich mich Susi an.
LöschenLiebe Silvia und liebe Susi,
LöschenVielen Dank für Eure Kommentare,ich bin ja so'n büschen gerührt!
Bis bald liebe Grüße aus der rfz (rechnerfreie Zone)
Regine