Was macht man mit einer Liebe, die im Sterben liegt und in deren Windschatten die Fetzen fliegen? Gabi und Uwe fragten sich, ob es überhaupt jemals Liebe war, oder doch eher ein Strohfeuer der üblichen Art, wie man es in jedem Leben immer wieder mal trifft. Der Streit war groß und eine Einigung nicht in Sichtweite. Dennoch besuchte sie ihn ein letztes Mal in seinen Bergen, sie wollte Gewissheit haben und Abschied nehmen. Und da Uwe nichts gegen diesen Besuch einzuwenden hatte, ging sie davon aus, dass es ihm ähnlich erging. Von Kitten und Reparieren mit schönen Worten oder Taten war nicht die Rede. Von einer Versöhnung, die in eine Freundschaft münden konnte, schon eher. Und es würde selbst dann eine Freundschaft bleiben, wenn sie sich danach nie wieder begegnen würden. Wenn es gut lief.
Sie fuhr also in die schneebeckten Berge; mit dem Zug. In München musste sie umsteigen. Dann ging es weiter ins Schneeparadies und zu dem Mann, den sie sehr sehr mochte - ob es auf ihrer Seite je Liebe war? - Sie wusste es nicht. Sie ließ sich treiben und erwartete eigentlich nicht viel. Nur, dass es nicht im Streit endete. Und in Missverständnissen verloren ging. Auf beiden Seiten war es keine einfache Mission. Er plagte sich manchmal mit Gewissensbissen, weil er nicht der ideale Mann an ihrer Seite gewesen war. Sie hätte ihn manchmal gerne fest gehalten, vermochte es aber nicht. Er war eben ein Schmetterling und unberechenbar. Wollte sie das? Wollte das irgend jemand? - Doch es war in der Weihnachtszeit, in der viele Leute über viele Dinge mehr nachdenken als sonst. Gabi wollte nichts festhalten, was sich nicht halten ließ - und Uwe wollte sich nicht binden, wo es überall rief "Freiheit".
Er holte sie am Bahnhof ab, und sie fuhren in seine Wohnung. Die war so kühl durchgestylt wie immer, nichts Weihnachtliches belastete die Atmosphäre. So war er, sie war anders. Hatte es deshalb nicht funktioniert? Oder war es schlicht und einfach die Entfernung, die auf Dauer wie eine Glasscheibe wirkte, gegen die man immer und immer wieder vergebens anlief?
Es dauerte auch nicht lange, und sie waren in den ewigen Streitthemen gefangen. Dann wieder lagen sie sich lachend oder je nach dem auch weinend in den Armen. Am ersten Tage des Wiedersehens war klar, dass hier Welten aufeinander prallten, die sich die Köpfe einhauen konnten, aber nicht beide Köpfe unter eine Decke stecken wollten.
Mit seinem Allrad-Antrieb-Auto fuhren sie am nächsten Tag auf eine Alm, die von einem sehr alten Mann betrieben wurde - und eine Art Geheimtipp war. Es ging so steil bergan wie es mit den Gefühlen von Gabi und Uwe bergab ging. Sie wollten dennoch ein paar Stunden der Ruhe genießen. Eine Ruhe wie man sie auf einem Friedhof hat, wenn man Abschied nimmt.
Es war ein lustiger Abend, powered by Alm Öhi, bis es diesem plötzlich gar nicht mehr gut ging. Von einer Minute auf die andere wurde er blass, musste sich hinhocken und eine Hand lag an seiner Brust, als könne er sein Herz vor dem Zerspringen schützen. Uwe ging ans Telefon und rief den Rettungsdienst. Sie kamen ziemlich schnell, der Alm-Mensch war bekannt und beliebt in der Gegend. Der alte Mann hat es überlebt, soviel dazu.
Und Uwe und Gabi haben das Ende ihrer Liebe oder Verliebtheit ebenso überlebt: Sie hatten von dem alten Mann die Weisung bekommen, sich um die Hütte zu kümmern und sie später abzuschließen. Das nahm das ehemalige Liebespaar ziemlich ernst. Doch an diesem Abend kamen keine Gäste mehr, und sie blieben allein. Allein mit sich und ihren Erinnerungen. Die, wie sie feststellen mussten, dann doch nicht so prominent waren, sondern aus ein paar Begegnungen resultierten. Bis in den frühen Morgen sprachen sie miteinander, übereinander und von anderen Lebensentwürfen. Und dies in aller Freundschaft. Plötzlich war auch jeder Streit beendet. Wären Uwe und Gabi füreinander bestimmt gewesen, sie hätten in dieser Nacht zueinander gefunden.
Doch das Leben hatte für jeden von beiden andere Aufgaben parat. Diese Nacht zeigte es ihnen und wies ihnen eine Zukunft ohne einander.
Sie haben später noch manchmal miteinander telefoniert, doch wieder gesehen haben sich Gabi und Uwe nie.
Frohe Weihnachten, Gruß Biene
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