Samstag, 6. Dezember 2014

6. Dezember 2014 - Der Advents-Kalender - Ein Beitrag von DBln

Foto und Beitrag von DBln
6. Dezember – Nikolaus

Als wir Kinder waren, war der Morgen des 6. Dezember für mich und meine Schwestern immer sehr aufregend. Der Nikolausmorgen in dem Jahr, in dem ich fünf Jahre alt war, ist mir aber ganz besonders im Gedächtnis geblieben.  Am Nachmittag des 5. Dezember putzten wir mit Hilfe unserer Mutter unsere Schuhe, damit sie schön aussahen, wenn der Nikolaus vorbeikam.
Im November und Dezember hatten meine Eltern immer sehr viele Einladungen zu Bällen und anderen Veranstaltungen, so war es auch an diesem Abend des 5.12., einem Samstag.  Ein Babysitter passte auf uns auf, und noch bevor unsere Eltern die Wohnung verließen, mussten wir ins Bett.  Zuvor stellten wir aber noch unsere Schuhe im vorderen Flur neben der Hauseingangstür ab.
Wir wohnten in so einer typischen Berliner Altbauwohnung mit  einem vorderen Flur im Eingangsbereich, von dem aus man drei Zimmer und ein kleines Bad erreichte und einem weiteren langen Flur, von dem die Küche, Hintertreppe, ein weiteres Bad und die anderen Zimmer abgingen.  Meine Eltern hatten ihr Schlafzimmer im vorderen Bereich der Wohnung.  Dann kamen zwei ineinander gehende Wohnzimmer und dann der lange Flur. Mein Zimmer lag ganz am Ende der Wohnung.  Meinen Schwestern und mir war der lange Weg nach vorne abends und nachts  immer etwas unheimlich, vor allem wegen der  Hintertür.  Die alten Parkettböden knarrten auch sehr.  Aber an dem Abend des 5. Dezember waren alle Räume hell erleuchtet und als unsere Mutter kam, um uns gute Nacht zu sagen, trug sie eines ihrer Ballkleider, das glitzerte und funkelte. Wir Mädchen fanden das immer toll. Wir mussten ihr nochmals versprechen, artig zu sein, sonst würde der Nikolaus wohlmöglich keine Süßigkeiten bringen.  Das wollten wir nicht riskieren. Meine kleine Schwester schlief schon, und mit meiner anderen Schwester unterhielt ich mich noch ein wenig durch die offene Verbindungstür zwischen unseren Zimmern, aber bald kehrte Ruhe ein.
Als ich am kommenden Morgen aufwachte, war es noch stockdunkel. Ich vermute, es war so gegen 5 Uhr oder 6 Uhr. Da Sonntag war, würden die anderen erst in ein paar Stunden wach werden. Aber ich war schrecklich neugierig, ob der Nikolaus da gewesen war. Ich zog meinen Bademantel an und nahm all meinen Mut zusammen, um durch den langen dunklen Flur nach vorne zu unseren Schuhen zu gehen. Licht wollte ich nicht anmachen,  denn dann würde wahrscheinlich jemand wach werden,  und merken,  wie ungeduldig ich war. Wir sollten ja erst später alle zusammen nach unseren Schuhen sehen. 
Schnell lief ich den Flur entlang.  Und als ich das große Wohnzimmer betrat, wurde ich mutiger, weil unser Hund mich gehört hatte und zu mir kam.  Vorsichtig öffnete ich die Tür zum vorderen Flur.  Aus der offenen Tür zum Badezimmer kam durch das Fenster etwas Licht von der Straßenlaterne herein, und ich sah es in unseren Schuhen glitzern. Ich war beruhigt, der Nikolaus war da gewesen.
Die Tür zum Schlafzimmer meiner Eltern war natürlich noch geschlossen, aber mein Blick fiel plötzlich auf die Lacklederschuhe, die mein Vater zu seinem Smoking getragen hatte und auf die mit Strasssteinen besetzten Seidenpumps meiner Mutter. Gegen unsere mit Süßigkeiten und kleinen Geschenken gefüllten Schuhe sahen sie so leer aus. Der Nikolaus hatte nichts für meine Eltern gebracht.  Ich beschloss, dass sie auch etwas in ihren Schuhen finden sollten.  Ich überlegte, was ich  in die Schuhe tun könnte.  Mir fiel ein,  dass wir vor ein paar Tagen auf einem Weihnachtsmarkt uns  an dem Stand einer Bonbonmanufaktur jede eine Tüte Bonbons hatten aussuchen dürfen.  Ich würde einige von meinen Bonbons als Überraschung für meine Eltern opfern.
Leise lief ich den langen Weg wieder zurück in mein Zimmer und suchte im Licht der Nachttischlampe nach der Tüte. Ich hatte mir Honigbonbons ausgesucht, die zwar sehr klebten, aber gut schmeckten. Ich nahm erst einmal die ganze Tüte mit. Unser Hund begleitete mich natürlich wieder nach vorne. Dann hatte ich ein Problem.  Ich wollte ja noch einige Bonbons für mich behalten und brauchte also die Papiertüre, in der sie sich befanden.  Eine andere Verpackung hatte ich nicht und so legte ich die klebrigen Bonbons lose in die Lacklederschuhe meines Vaters und die Seidenschuhe meiner Mutter. Ich war überzeugt, dass sie sich sehr freuen würden.
Ich ließ den Hund vorne, denn meine Mutter wollte nicht, dass er in unseren Betten schlief und kroch zurück in mein Bett. Die ganze Aktion hatte nicht lange gedauert und ich war ja auch immer noch müde.
Sehr viel später am Morgen waren dann alle wach, und meine Mutter und mein Vater führten uns zu unseren Schuhen. Wir freuten uns über die Nikolaussachen. Doch dann fluchte mein Vater plötzlich. Er hatte seine Schuhe wegräumen wollen und bemerkt, dass auch er etwas vom Nikolaus bekommen hatte.  Auch meine Mutter hob mit einem fassungslosen Gesichtsausdruck ihre Schuhe hoch.  „Wer war denn das?“ wollte mein Vater wissen. Ich war sehr stolz auf meine gelungene Überraschung und verkündete: „Ich!“
Mein Vater wollte etwas sagen, und irgendwie wirkte er nicht erfreut, aber meine Mutter fiel ihm ins Wort. Sie zeigte angesichts ihrer völlig ruinierten Schuhe wirklich Haltung und bedankte sich bei mir, meinte aber, irgendetwas in einer Verpackung wäre wohl besser gewesen. Da hatte sie Recht, denn zu allem Überfluss hatte unser Hund großen Gefallen an dem Geschmack der Bonbons gefunden und daran herumgeleckt.  Sie waren zu einer fest verklebten Masse in den Schuhen geworden.  Die empfindlichen Seidenpumps meiner Mutter waren nicht mehr zu retten, aber irgendwie gelang es ihr später,  die klebrige Bescherung aus den Schuhen meines Vaters zu entfernen.
Jedes Jahr, wenn ich am Nikolaustag Geschenke für andere in  Schuhe lege, oder ihnen eine Kleinigkeit hinstelle, erinnere ich mich an die entgeisterten Gesichter meiner Eltern, die schon viel zu lange nicht mehr mit meinen Schwestern und mir Feiertage begehen können, an diesem Nikolausmorgen und muss schmunzeln.
An einem anderen Nikolausmorgen vor 9 Jahren hat mich ein besonderer Mensch verlassen müssen, der viel zu kurz in meinem Leben war.  Der 6. Dezember  ist für mich trotzdem kein trauriger Tag, denn  es kamen auch wieder hellere Nikolaustage. Gelernt habe ich aber, dass schöne Erinnerungen sehr wertvolle Geschenke sind, egal an welchem Tag sie entstehen.
Ich wünsche allen heute einen schönen Nikolaustag und ich hoffe, ihr denkt daran, einem lieben Menschen eine Freude zu machen. Es sollten aber keine  Honigbonbons sein,  und wenn, dann bitte nur in einer Tüte.


5 Kommentare:

  1. Danke Dagmar, was für eine schöne Geschichte. Ich war heute/gestern leider zum erstenmal ein wirklich blöder Nikolaus. Meine Tochter (immerhin schon 27 das gute Kind) bewohnt während ihres 2. Studiums unsere obere Etage. Ich bereits im August ein ganz spezielles Geschenk für sie entdeckt, ganz gegen meine Gewohnheit, bin sonst eher spät dran.
    Ich habe gestern, später gemeinsam mit meinem Mann, den ganzen Tag gesucht, es ist verschwunden! Mehrmals wechselte ich die Verstecke, einmal bin ich innerhalb des Hauses mit meinem Zimmer umgezogen, da muss das Geschenk verschwunden sein. Meine Tochter bekommt das Teil noch, klar, aber heute blieb der Schuh leer.
    Shit happens und Erwachsen werden fängt eben leider irgendwann mal an.
    Liebe Grüße, Susi

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    1. Hallo. So ein Pech. Falls Dein Geschenk einen Schokoladenanteil hat und Du einen Hund hast, lass doch den suchen...:) Noch einen schoenen Nikolausabend.

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  2. @Dagmar DANKE ! Eine zu Herzen gehende Geschichte !

    @Susi frag sie doch einfach ;-) *hihi* ich habe nie gestickst und auch meine Kinder kennen es nicht (man nimmt sich ja die ganze Vorfreude) aber ich hatte eine Kollegin, da wußten die Kinder besser über die Geschenke bescheid, als die Eltern !

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    1. Freut mich, dass Dir meine kleine Geschichte gefaellt. Noch einen schoenen Abend.

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  3. Und ich freue mich, dass ihr alle den Weg auf den Blog gefunden habt. Eure Silvia

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