Samstag, 22. Februar 2020

22. Februar 2020 - Eines Tages



Eines Tages

... sind meine Hände vielleicht zittrig, das Gedächtnis zwischen all den Lücken den Bach runter gerutscht, sitze ich irgendwo - und alle anderen wissen, wo das ist. Nur mir wird es fremd sein. So wie mir mein früheres Ich unbekannt sein wird,

wenn es soweit kommt, dass ich im wenig heldenhaften Nebel verschwinde. Wie wird sich das anfühlen? Welche Bedürfnisse sterben zuletzt? Wen werde ich zuvor bis aufs Blut ärgern, bis derjenige erkennt:

Die Alte kann ja nichts dafür!

Sie ist dement!

Im Pflegeheim verweist man die tapferen wirklichen Helden des Alltags, die PflegerInnen auf mein früheres Ich hin, indem man ihnen meinen Blog vorstellt:

Ah ja, ah ja, könnte ich hören, falls ich dieses Seufzen überhaupt verstehen würde. Sie hat sich vorwiegend mit einer Doku-Soap beschäftigt.

Und während man mir ein Lätzchen umbindet, um mich unfallfrei füttern zu können, denn man hat bereits genug Arbeit mit mir,

stellt man mir eventuell Fragen,

nach meinem Drang zum Schreiben vielleicht. Ich würde jeden nur ungläubig ansehen,

denn was ist "Schreiben"?

Wird man mit mir Mitleid haben, weil ich eine liebe Alte bin - oder bin ich eher die Gefürchtete. Eine, die nur noch böse Wortfetzen findet, wenn sie überhaupt noch Wörter artikulieren kann? Und eine, die wild gestikuliert, anstatt ein freundliches, aber leeres Lächeln aufzusetzen.

Demenz

Demenz ist der Teufel, der uns allen im Nacken sitzt. Es ist wie in einer Lotterie: Den einen trifft es, den anderen nicht. Und wer denkt,

Demenz sei nur für die Angehörigen der Betroffenen schlimm, der irrt:

Am Beginn der irreparablen Erkrankung spüren die Dementen  selber noch, dass mit ihnen etwas nicht stimmt und der Kopf mit seinen wertvollen Inhalten sich mehr und mehr leert.

 Urteilsfähigkeiten gehen verloren, das Gedächtnis funktioniert nicht mehr - und zuletzt gehen alle motorischen Fähigkeiten ihren zerstörenden, zerstörerischen  Weg.

Der Demenzkranke lebt in seiner ureigenen Welt, die sicherlich nicht frei von Ängsten und Bedrohungen ist.

In den kommenden Jahren wird sich die Zahl der Demenzkranken stark erhöhen. Angehörige müssen lernen, mit depressiven oder aggressiven Zuständen ihrer Liebsten zurecht zu kommen. Nicht jedem wird diese Leistung glücken,

und manchmal ist es sicherlich besser, den kranken Menschen in andere Hände zur Pflege zu überlassen.

Man muss ihn ja nicht aus den Augen verlieren - auch, wenn der Kranke den Angehörigen mehr und mehr vergisst und sich seiner nicht einmal erinnert, wenn er ihm ganz nah ist.

Ein Angehöriger möchte das Vergessen aufhalten - während ein Betroffener sich längst im dunklen Strudel ohne Wiederkehr befindet.


Guten Tag, Gruß Silvia

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