Samstag, 3. Dezember 2016
3. Dezember 2016 - Adventskalender - 3. Türchen - "Ein ganz neues Gefühl für Weihnachten"
Ein ganz neues Gefühl für Weihnachten
Lili hatte wirklich jeden Grund, Weihnachten nicht zu mögen: Als sie elf Jahre alt war, verlor sie am 1. Weihnachtstag ihre Mutter, die nach einer an und für sich einfachen Operation an einer Lungenembolie starb. Fortan wurde sie unter der unbeholfenen Obhut ihres Vaters groß.
Viele Jahre später bekam sie eine Tochter, die sie Jennifer nannte - und die mit einundzwanzig Jahren an Leukämie starb. Einen präsenten Vater zu der Tochter hatte es in ihrer beider Leben nicht gegeben,
aber Lilis Vater war an ihrer Seite in der tiefen Trauer, die sie umgab und aus der sie nur schwer einen Weg ins Tagesgeschehen finden konnte.
Roland tat, was er konnte, um Lili beizustehen, aber er konnte ebenso wenig mit der Trauer um das einzige Enkelkind umgehen wie seine Tochter und versank in Depressionen.
Lili nahm diese Erkrankung nicht ernst und verwechselte sie mit Traurig-Sein, bis er an Heiligabend vor ein paar Jahren seinem Leben ein Ende setzte.
Das er diesen Schritt ausgerechnet an Weihnachten gegangen war, konnte sie ihm ebenso wenig verzeihen oder noch viel weniger als die Tatsache selber.
Sie fühlte sich als eine vom Leben betrogene Frau, deren größter Feind ausgerechnet Weihnachten war.
Während ihre Kollegen und Kolleginnen von Plänen erzählten, die sie an Weihnachten hatten und Plätzchen mitbrachten, die sie selber gebacken hatten,
konnte Lili mit all dem nichts anfangen. Doch sie erklärte sich nicht, und so fiel es allen nur auf, dass sie in der Weihnachtszeit nicht "gut drauf" war, sich nicht gemeinsamen Weihnachtsmarkt-Vergnügungen anschloss und noch weniger redete als sonst. Natürlich wussten sie vom Tod ihrer Tochter und von dem ihres Vaters, aber niemand brachte es mit einer generellen Abneigung gegen Weihnachten in Verbindung.
Lili galt als sonderbar und eigenbrötlerisch, das war Erklärung genug.
Natürlich kam auch irgendwann der nächste, unerträgliche Heiligabend in Lilis Leben, und sie verkroch sich in ihrem kleinen Haus am Waldrand, vermied es peinlichst, den Fernseher anzustellen - das Weihnachtliche brauchte sie nicht mehr in ihrem Leben - und las in einem Buch. Leise lief eine CD im Hintergrund,
als sie plötzlich ein noch leiseres Scharren an der Haustür wahrnahm.
Lili legte ihr Buch beiseite und stand auf, guckte durch den Tür-Spion und konnte nichts entdecken. Es scharrte erneut.
Sie nahm all ihren Mut zusammen - den sie in dieser Einsamkeit, in der ihr Haus lag - brauchte, und öffnete die Tür:
Davor saß ein jämmerlich aussehendes Kätzchen. Abgemagert bis auf die Knochen, mit Augen, die so riesig wirkten, weil der gesamte Körper nur noch ein Schatten seiner Selbst war ...
Ein Jahr später an Heiligabend
Es war auch für die Ärzte in der Tierklinik eine Herausforderung, das Kätzchen medizinisch wieder aufzupäppeln, aber nach einem wochenlangen Kampf hatte sie das Schlimmste überstanden. Lili nannte sie Felicitas, weil sie ein offenbar vorher schweres Schicksal glücklich mit einem Scharren an Lilis Tür gemeistert hatte.
Und Feli wurde Lilis ganzes Glück, denn durch sie fand sie den Weg zurück zu einem normalen Empfinden für Weihnachten. Sie würde nie die überaus lustige Betriebsnudel oder die lachende Frau werden, aber
all die sorgenvollen Tage und Nächte, als sie um die bis zu ihrer Genesung namenlose Katze bangte, die an Heiligabend begannen und erst im März endeten, zeigten ihr, dass es immer etwas gab, wofür es sich zu leben lohnte.
Heute war wieder Heiligabend, und Lili schmückte ihren Tisch für ein Essen mit ein paar guten Freunden, die sie im Laufe des Jahres wieder kontaktiert hatte -
und diese würden sogar einen Weihnachtsbaum vorfinden, und im CD-Player spielte Weihnachtsmusik.
Noch eine halbe Stunde und ihre Gäste würden kommen. Lili entspannte sich kurz auf der Couch, und Felicitas sprang
munter auf ihren Schoß und schnurrte wie eine Weltmeisterin. Beide hatten ein ganz neues Gefühl für Weihnachten, denn auch Felicitas spürte, dass heute ein sehr besonderer Tag war.
Einen schönen Adventstag wünscht Silvia
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