Freitag, 23. Dezember 2016
23. Dezember 2016 - Mein Adventskalender - 23. Türchen - Heiligabend in einer Polizeiwache
Heiligabend in einer Polizeiwache
In dem kleinen Nordsee-Örtchen Geradewohl ist gleich nach der Dorfkirche die Polizeistation der Dreh- und Angelpunkt der nur 160 Bewohner. Von hier aus sorgen Nik, Paul und die noch sehr junge Birte für mehr oder weniger Ordnung, und manchmal stutzen sie sogar das Recht zurecht.
Heute ist Heiligabend und die verschworene Gemeinschaft der drei Polizisten erwartet keine weiteren Vorkommnisse, als
dass sie Jonas in die Arrest-Zelle sperren mussten, da er wieder und wieder einen Tage-Diebstahl begangen hat. Der Faulpelz braucht einen Denkzettel und darf Weihnachten im Knast verbringen, bei Pfeffernüssen, Gänsebraten und Punsch.
Man mag ihn eben, diesen Tage-Dieb, dem Zeit und Raum egal sind und der sich gern durchfüttern lässt, denn das macht er schon seit sechzig Jahren. Er wird sich auch in seinen letzten Jahren nicht bessern, denn er ist bereits achtzig Jahre alt und
auf seine Weise sehr weise. Mit dieser Weisheit kann der andere Kandidat in der Nebenzelle gar nichts anfangen, ihn gelüstet es nach einem Knochen.
Hund "Bingo" hat die Ruhe des Heiligabend dermaßen gestört, dass er nun bei Wasser und Trockenfutter bis morgen früh hier verbringen darf.
Birte träumt unterdessen von einer großen Hauptstadt-Wache mit riesigen Herausforderungen, die Paul längst hinter sich gelassen hat,
denn als er mehr und mehr auf sein Pensionsalter zuging, hat er um seine Versetzung in ein ruhiges Nest gebeten. Da kam den Vorgesetzten Geradewohl in den Sinn,
denn außer Fahrraddiebstählen oder mal ein Einbruch passiert hier einfach nichts.
Nik hat einen Christstollen für die Kollegen und sich mitgebracht, und als er ihn gerade anschneidet,
gibt es einen Knall an der Wache-Tür. Der Wind, meint Paul. Denn nur Bingo und der Wind unterbrechen in Geradewohl jemals die Stille.
Birte will zur Sicherheit nachsehen und öffnet die Tür, als ihr ein großer Sack direkt vor die Füße fällt. Sie stößt einen leichten Schrei aus, denn auch Polizisten können sich erschrecken - schon eilen ihr die Kollegen zu Hilfe.
Vorsichtig ruckelt Paul an dem Sack, es klimpert, als wären Weihnachtsglöckchen dort drin. Mutig öffnet er diesen -
und zum Vorschein kommt die Beute aus in Geradewohl verübten Einbrüchen. Die Kollegen haben noch die Fotos der gestohlenen Schmuckstücke vor Augen - da sie sonst nicht viel zu erinnern haben, was echte Kriminalfälle angeht.
Sie würden auch jedes gestohlene Fahrrad wiedererkennen ...
Einen Moment später betreten zwölf Einwohner des Ortes leise das Polizeirevier. Die anderen seien in der Kirche, erzählt einer von ihnen, aber
was sie zu beichten hätten, wäre bei der Polizei besser aufgehoben.
Nik schneidet weitere Stücke von seinem Christstollen auf - und verteilt sie an die "Gäste", die, bereit zur Beichte, noch ziemlich schüchtern dreinschauen. Ihnen kann ein guter Happen nicht schaden. Auf dem Herd steht ein leichter Glühwein,
und er schenkt allen ein Gläschen ein. Vielmehr muss es für die meisten ein Pappbecher tun, denn so viele Gläser gibt es nicht in dieser Wache.
Und überhaupt hat man hier noch nie so viele Menschen auf einmal gesehen.
Jeder von ihnen hat etwas auf dem Kerbholz und erleichtert nun sein Gewissen. Der Einbrecher, der den Schmuck gestohlen hat, ist nicht unter ihnen -
aber die alte Frau, die dem Nachbarn eine volle Einkaufstasche, die dieser abgestellt hatte, gestohlen hat.
Der junge Mann, der seiner betagten Nachbarin unter dem Mantel seiner angebotenen Hilfe, Geld geklaut hat, ist ebenso gekommen
wie die reumütige Frau von vierzig Jahren, die manchmal im Supermarkt ihre Hände nicht bei sich behalten kann - aber die genommenen Sachen nicht auf das Kassenband legt.
Am Ende gibt es zwölf Geständnisse -
und zwölf Versprechen, das jeweils begangene Unrecht nie wieder zu begehen.
Wie könnte man ihnen diese Reuen nicht abnehmen?
Nik, Paul und Birte feiern mit allen noch die halbe Nacht lang Weihnachten,
ein Weihnachten, wie es nie gewesen ist und eines,
das auf ein gutes Neues Jahr hoffen lässt.
Einen schönen Adventstag wünscht Silvia
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