Mittwoch, 25. Dezember 2019

25. Dezember 2019 - Gastbeitrag - Gertrud Conradt über die 1. Adventszeit ohne ihren Mann

Ein Gastbeitrag von
Gertrud Conradt:

Sie hat vor ein paar Monaten ihren Mann, der auch ihr bester Freund war, verloren -
und schreibt nun über die 1. Adventszeit ohne ihn:


Weihnachten ohne dich



19. November

Jetzt ist bald Advent und ich habe überhaupt keine Lust, meinen Adventskranz hervor zu kramen, den ich voriges Jahr gehäkelt habe. Kerzen habe ich auch noch nicht besorgt. Er ist immer noch präsent. Mir ist so, als könnte er gleich zur Tür herein kommen und ich sag:

„Wo warst du denn so lange?“ Verrückt.



27. November 

Heute an seinem Geburtstag haben wir alle ihn besucht. Es war schwierig, die Wege im Wald (er ruht in einem Friedwald) zu gehen, aber ich habe mich mit dem Rollstuhl fahren lassen, sonst hätte ich es nicht geschafft.

Ich war ziemlich traurig. Weihnachtliche Gefühle? Keine Spur!



1. Dezember

Mein Sohn hatte Kerzen besorgt, und ich hab ihn schließlich doch aufgestellt, meinen Adventskranz. Ich dachte, eine doppelte Dosis Advent würde mir helfen. Ich kaufte mir einen Adventskalender mit feinen Pralinen und Wolle für einen Türkranz, an dem jeden Tag ein anderes Teil gehäkelt und angebracht wird. Ok, damit fange ich auch an.



6. Dezember

Nikolaus. Mein Sohn und ich bekommen jeder einen Schoko-Nikolaus, aber mit Weihnachten hab ich immer noch nichts am Hut. Früher hab ich mit den Kindern jedes Jahr Plätzchen gebacken und später alleine, es machte mir halt Spaß. Dieses Jahr habe ich entschieden, die Backerei ausfallen zu lassen, ich habe einfach keine Lust.

Aber ich lese jeden Tag Silvias Adventsgeschichte, sie bringt mir ein Stück weit die Stimmung, die aber gleich wieder verschwindet.



16. Dezember

Heute feiern wir 3 Geburtstage. Ich habe sie alle zu mir eingeladen, um mich ein wenig abzulenken. Das war schön, aber ich musste oft wehmütig an ihn denken.



18. Dezember

Über 40 Weihnachtsfeste haben wir zusammen gefeiert. Im Laufe der Jahre haben sich viele Traditionen eingeschliffen, die ich in diesem Jahr allesamt über den Haufen geworfen habe.

Trotzdem habe ich ein Minibäumchen mit ein paar Lichtern in einem Topf, das nach Weihnachten auf den Balkon kommt. Ich möchte meinem Sohn doch ansatzweise Normalität bieten. Zum Glück hat uns mein älterer Sohn eingeladen, so sind wir an Heiligabend nicht allein.



Heiligabend

Es war sehr schön bei Sohn, Schwiegertochter und Enkel. Das Essen war gut. Jeder hat sich bemüht. Ich habe mich gefreut, dass sie an uns dachten, aber die Wehmut, das leise Bedauern, war immer dabei.

Würde mein Jüngster nicht bei mir wohnen, hätte ich Weihnachten nicht gefeiert, denke ich. Aber ihm zuliebe habe ich mich zusammen gerissen.

Letztendlich haben mich das Häkeln und Silvias Geschichte auf andere Gedanken gebracht und die Praline jeden Tag hat auch geschmeckt.

Aber es ist unendlich schwer, sich an den Gedanken zu gewöhnen, dass es jetzt immer so sein wird. Ich hätte gerne so einen Ort, an dem Wunder geschehen, aber leider ist eine Geschichte nur eine Geschichte und keine Realität.


Allen ein schönes Weihnachtsfest, Gruß Gertrud



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen