Samstag, 12. März 2016

13. März 2016 - Aus dem Bienenkästchen - Frühlingsgefühle





Frühlings-Gefühle

Wenn es draußen anfängt, zu Grünen - ganz zaghaft noch und unentschlossen - und es am Abend länger hell ist, die Menschen sich von der Winterkleidung befreien, langsam und auch nicht so ganz konsequent,

denn es ist an manchen Tagen noch kalt.

Dann beginnt draußen und drinnen und in den Gefühlen der Frühling.

Ob er die schönste Jahreszeit ist, ist die Frage. Die Antwort darauf ist so unterschiedlich wie die Menschen sind.

Doch es gibt sie, diese Frühlings-Gefühle, die einen mitreißen. Das Lächeln eines Fremden auf der Strasse - unbezahlbar. Wer erlebt so etwas an einem windigen, regnerischen Herbst-Tag?

Natürlich kann auch der Frühling verregnet daher kommen und Stürme mit sich bringen, die man lieber nicht erleben möchte.

Aber die Hoffnung auf einen Neuanfang bleibt.

Cut:

So sentimental soll es nicht werden, denn das ist nicht mein Ding. Ich gehe hinaus in einen Frühlings-Tag und sehe mich um:

Die alte Frau trägt Mantel und Schal und Mütze inklusive Handschuhen und friert bei 12 Grad plus, und ferner meint sie, es wäre immerhin noch kein Sommer. Ich ersticke beinahe vor Hitze, allein bei diesem Anblick und denke an

Ostern. Zum Glück ist das Osterfest noch nicht zu einem wahren Geschenke-Marathon-Kaufrausch verkommen, sondern gibt sich gemäßigt.

Da steht an der Ecke ein rauchender Mensch und genießt die Sonnenstrahlen, während eine wütende Frau sich ihren Weg durch die Stadt bahnt und nichts von der Sonne sieht, die auch sie milde stimmen möchte.

Manch ein Mensch nimmt eben vieles überhaupt nicht wahr.

In einem Cafe sind zwei verliebte Leute, die sich zärtlich an den Händen halten - während am Nebentisch ein Pärchen mit Problemen sitzt, denen der Frühling nicht so recht auf die Sprünge helfen kann.

Hunde springen über eine große Wiese und haben keine Gedanken an den Frühling, sondern empfinden nur ein Glücksgefühl, das man ihnen anmerkt.

Als erwachsener Mensch möchte man es ihnen gleichtun, traut sich aber nicht. Schade, wenn man nicht mehr durch Pfützen springen möchte ...

Der alte Mann genießt seinen vermutlich letzten Frühling im Park. Die Ärzte haben ihm gesagt, dass er todkrank sei. Und wenn er den kleinen Kindern, die im Frühling lustiger sind als sonst, zusieht, weiß er, dass er nie einen anderen als diesen Frühling besessen hatte:

Die Karriere stand in seinem Leben derart im Vordergrund, dass er vergessen hatte, das Leben und den Frühling zu genießen. Und als er endlich in Rente ging, war der Verlust größer als seine Freude an den wechselnden Jahreszeiten und dem Frühling im ganz Besonderen.

Die junge Mutter läuft gestresst hinter ihrem Nachwuchs her, der ihr im Bezug auf die Größe desselben, völlig aus dem Ruder gelaufen ist. Sie kann nichts genießen, sie ist nur noch fertig mit den Nerven.

Eine kunterbunt gekleidete Frau betritt den Stadtpark und lächelt ohne Unterlass, denn für sie ist so lange Frühling wie sie nichts umhauen kann. Und das geschieht selten. Sie wirft Blicke auf die Leute, die miesepetrisch in die Gegend starren und nur einen vor den anderen Fuß setzen - mit dem einzigen Sinn, den Frühling nicht zu beachten.

Sie sollten alle ein bisschen Pippi Langstrumpf sein, denkt die bunt-gekleidete Frau. Aber sie weiß, dass die wenigsten eine Pippi in sich und mit sich selber vereinen können.

Der gerade nach zehn Ehejahren gewordene Witwer, den die Trauer beinahe umgehauen hat, schnuppert die Luft, die unvergleichliche des Frühlings - und empfindet zum ersten Mal seit dem Tod der Liebsten so etwas wie Morgenduft. Hoffnung. Er lächelt

die Frau an, die sich in dieser Stadt nicht auskennt und ihr Smart-Phone auspackt. Er springt ihr zur Seite und sie lächelt ihn an, unerwartet, aber sie lächelt ihn an.

Gemeinsam gehen sie weiter.

Ich komme an einem Blumenladen vorbei und will ein paar Tulpen kaufen. Die Verkäuferin ist geschwätzig und klagt über dieses und jenes und überhaupt sei die Welt ein Jammertal. Sie hat vergessen, in welch einem Geschäft sie als Verkäuferin steht. Sie nimmt all die Blumenpracht als selbstverständlich hin.

So wie ich auch den Frühling als selbstverständlich und immer wieder kehrend ansehe. Doch was ist, wenn er nie wieder kehrt für mich? Was ist, wenn ich zu jung sterbe?

Ich nehme mir vor, den Frühling besser kennen zu lernen. Die letzten Tage waren ein Anfang. Und schon lächelt mich ein Fremder an ... Jetzt ist alles doch zu sentimental.

Guten Morgen, Gruß Biene



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen