Freitag, 7. Oktober 2022

7. Oktober 2022 - Malaria


Malaria

Manche verlieben sich im Urlaub, andere bringen ein schönes Souvenir mit nach Hause, wieder andere verlieben sich in Land und Leute generell. Letzteres kann ich auch von mir behaupten. Aber aus einem Kenia-Urlaub habe ich eine Erinnerung mitgebracht, die ich nicht, so gar nicht, gebrauchen konnte: Malaria.

Vor der Reise hatte ich noch mit meiner Krankenkasse gescherzt weil sie die Kosten der empfohlenen Impfungen nicht übernehmen wollte: "Aber die Kosten einer eventuellen Erkrankung werden Sie übernehmen?" Natürlich!

Gegen Malaria gibt es bis heute keinen zugelassenen Impfstoff, und so nahm ich die Prophylaxe-Tabletten regelmäßig und vorschriftsmäßig ein.

In einem Nachtflug ging es mit der LTU von Düsseldorf nach Mombasa. In 1990 gab es noch Raucherplätze, für die in der Nacht die Klimaanlage bis zum Anschlag hochgefahren wurde. Am Boden in Mombasa erwartete uns ein klimatischer Backofen - und mich sehr schnell eine heftige Erkältung.

Dadurch war natürlich mein Immunsystem entsprechend geschwächt. Aber wer denkt schon an die schlimmste aller Möglichkeiten, wenn er Urlaub macht? Die meisten Menschen schützt schließlich diese Prophylaxe.

Den Urlaub habe ich trotz lästiger Unpässlichkeiten einigermaßen glatt über die Bühne gebracht (Inkubations-Zeit). Im Amboseli-Nationalpark hatten wir die schönsten Tierbegegnungen, die man sich denken kann ... Löwen, Giraffen, Elefanten und mehr in freier Wildbahn. Ein unvergleichliches Erlebnis. 




Auf der mehrtägigen Safari übernachteten wir u. a. in einem Hilton-Hotel. Später, viel später, hat eine eigentlich sehr intelligente Frau mit sogar einem Hochschulabschluss gemeint, dass man sich in solch einem Haus keine Malaria "holen" kann.

Da hat sie die Anopheles-Mücken aber sehr unterschätzt: die dringen bis in den kleinsten Winkel vor und saugen Blut, wo immer sie es wittern - und hinterlassen eventuell, nicht immer (Prophylaxe) ein fatales Andenken. 


Die Symptome

Nach meiner Rückkehr hat mich eine schwangere Kollegin sehr liebevoll umarmt und sich gefreut, dass ich wieder im Lande bin. - Ich komme gleich darauf zurück.

Das schlimmste der Symptome fing harmlos an und steigerte sich dann ins Unermessliche: es war Übelkeit. Eine abgrundtiefe böse Übelkeit, und ich wünschte mir nichts sehnlicher als sie durch Schmerzen ersetzt zu bekommen. Alles erschien mir besser als diese Übelkeit.

Das Fieber stieg und fiel wechselweise,  bis knapp über 42 Grad (ja, das ist möglich). - Mein Kopf musste mit meistens  20 oder noch mehr Gedanken gleichzeitig fertigwerden, und das ist Schwerstarbeit, die man eigentlich nicht bewältigen kann.

Die zusätzliche Todesangst wurde zu einem Begleiter, aber den Tod vor Augen zu haben, verlor bald seinen Schrecken, obwohl ich noch so jung war. Alles erschien mir verlockender als diese Übelkeit weiterhin ertragen zu müssen.

Die Kraftlosigkeit hingegen war halb so schlimm: dachte ich während der Genesungszeit im Liegen, dass ich nur aufstehen müsse, um Bäume ausreißen zu können - konnte ich mich, wenn ich mich tatsächlich aufraffte, kaum fünf Minuten auf den Beinen halten.

Die Diagnose hatte ich mir selber gestellt. Mein Internist glaubte nicht daran, weil man mit mir völlig normal reden konnte - den Zirkus gab es schließlich nur in meinem Kopf, und den ließ ich nicht nach draußen.

Aber als ich in seiner Sprechstunde kollabierte, wies er mich ins Krankenhaus ein und ließ mich durch einem Krankentransport abholen.


Krankenhaus

20 Minuten musste der Klinik-Arzt unter dem Mikroskop nach dem Plasmodium suchen, bis er fündig wurde. Ich war an Malaria tropica erkrankt. Das ist die schwerste Form der Krankheit, aber sie hat auch einen sehr positiven Effekt: sie kehrt nicht wieder, ist also einmalig - wenn man es überlebt.

Das gute Ende ist bewiesen: sonst könnte ich hier nicht schreiben.

Als meine Kollegin, die ich oben erwähnt habe,  von meiner Diagnose erfuhr, soll sie im Dreieck gesprungen sein - vor lauter Sorge, sich und ihr ungeborenes Kind womöglich angesteckt zu haben.

Malaria ist nicht ansteckend. Ausnahmen sind Blutübertragungen von an Malaria Erkrankten oder eine Übertragung von der Mutter über eine beschädigte Plazenta zu ihrem ungeborenen Kind. Ich darf also kein Blut spenden.


Abkürzung

... um diesen Beitrag nicht unnötig in die Länge zu ziehen. Insgesamt war ich sieben bis acht Wochen krankgeschrieben. Die meiste dieser Zeit liegt im Nebel.

Gleich, nachdem ich mir selber eine Diagnose gestellt hatte, griff ich zum Telefon und verabschiedete mich von allen Menschen, die mir nahe standen und heute noch stehen. Mir war in diesen Stunden einfach klar, dass ich sterben würde.

Im Krankenhaus - das habe ich Jahre später und nur rein zufällig erfahren - wurde ich von vielen dort arbeitenden Menschen "besichtigt". Aber sie konnten nichts Besonderes erkennen. Ich lag einfach in meinem Bett und habe geschlafen. Kein Geschüttel, Gerüttel und keine Schweißausbrüche und auch sonst keine Besonderheiten. Es war eben keine Film-Malaria, sondern eine echte. Vielleicht bin ich auch besonders hart im Nehmen.

Mein Internist sagte nach meiner Klinik-Entlassung nicht zuerst "Guten Tag" oder ähnliches zu mir, sondern "Es war doch keine Malaria, oder?"

Dr. B. dachte eben, es kann nicht sein, was nicht sein darf.

Doch, es war Malaria. Aber inzwischen war ich dank Medikamenten (vor allem dem bewährten Chinin) eine  Rekonvaleszentin.

Während des Urlaubs



In 1990 gab es etwa 700 Malaria-Erkrankte in Deutschland. - Aber diese geringe Zahl sagt nichts über die tatsächliche weltweite Häufigkeit. 

Jährlich erkranken etwa 200 Millionen Menschen an Malaria, und damit ist sie die häufigste Infektionskrankheit überhaupt.

Eine zugelassene Impfung gegen diese uralte Krankheit gibt es nicht. Das ist seltsam ...

Wenn man sich sagt, dass man nach einer schweren Erkrankung sein Leben neu überdenkt und es mit anderen Augen sieht: dies galt für mich nur für die erste Zeit danach - und hält nicht bis heute an. Dennoch bin ich froh, den Tod von seinen Absichten befreit zu haben.


Guten Tag, Gruß Silvia 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen