Mein Mann war der "Superstar" in der hinteren Reihe - vor ihm auf der Bühne präsentierte sich der eigentliche Star, der beinahe allen in Deutschland bekannt sein dürfte, den ich aber hier nicht nennen werde - auch, weil sein Name keine Rolle spielt.
Mit der Musik angefangen hat mein Mann bei den "Falken" - dort hat er Saxophon spielen gelernt, und irgendwer hat seine gute Stimme hinter dem Instrument erkannt. Fortan tingelte er neben seinem eigentlichen Beruf, - auf den seine Mutter bestanden hatte - durch die Gegend. Die Gegend wurde stetig erweitert und prominenter. Auch auf die hohe See ging es hinaus, sprich: auf Kreuzfahrtschiffe. Den vermeintlichen Höhepunkt erreicht er, als er den Superstar auf seiner Super-Tournee als einer von fünf Background-Sängern begleiten durfte.
Es war zumindest finanziell ein großer Coup.
Zeitversetzt lernte ich diesen Superstar bei Karstadt in Dortmund kennen. Er sprach mich an - oder vielmehr, ließ mich ansprechen. Ab einer gewissen Größe und dem Status Superstar muss das Einfache niemand mehr selber übernehmen und ist wohl immer von einer Horde von Leuten umgeben. Auf diese Art kann er sich auch keine Schlappe holen.
Gemäß seinen Wünschen traf ich mit ihm auf dem Parkplatz einer großen Dortmunder Zeitung zusammen. Er sah gut aus, auch aus der Nähe, und war ausgesprochen liebenswürdig: ich war blutjung, er viel älter.
Ich war dumm, er erfahren.
Er wollte mich mitnehmen zu einem nächsten Event. Das sollte in einer anderen Stadt stattfinden. Ich war naiv, aber nicht so
dumm, mich auf einen Fremden, wenn auch Prominenten, sofort einzulassen.
Er war reich, ich eine arme Schülerin. Ich traute ihm nicht.
Danach
rief er mich einen oder zwei Tage später zuhause an. Ich hatte ihm die Telefon-Nummer meiner Eltern gegeben. Meine Mutter war am Telefon, als er anrief - und sie erkannte seine prägnante Stimme am sofort.
Irgendwann kamen wir zusammen. Ein bisschen. Nicht wirklich ernsthaft. Aber ich habe ihn ein paar Jahre später in seinem Wohnort besucht und war dort zwei Wochen zu Gast. Über diese zwei Wochen ließe sich eine Geschichte schreiben ... die ungeschrieben bleibt.
Wieder ein paar Jahre später
Nach diesen zwei Wochen verloren wir nicht wirklich den Kontakt, auch, wenn er vorerst nur noch aus Telefongesprächen bestand.
Die Gespräche fanden natürlich nicht täglich oder wöchentlich, sondern höchstens alle paar Monate einmal statt. Aber:
sie reichten für eine Einladung zu einem seiner Konzerte Jahre später.
Wie immer ging es auch nach diesem Konzert mit einer Auswahl von vielen Menschen in ein Restaurant.
Dort lernte ich dann den Star aus der hinteren Reihe kennen ...
Auch eine eigene Geschichte. Die ich abkürze: zwei Jahre später haben wir geheiratet.
Er war ein paar Jahre auch weiterhin der Star aus der hinteren Reihe - neben seinem Beruf - und ich habe viele wirkliche Stars kennengelernt.
Einige mochte ich sehr, andere überhaupt nicht - mit einem wäre ich beinahe durchgebrannt - aber die innere Feuerwehr hat mich davon abgehalten. Bis heute bereue ich das hin und wieder ...
Heute
bin ich immer noch mit meinem Superstar verheiratet. Manchmal rückt er auch für mich in die 2. Reihe, aber meistens ist
alles gut wie es ist.
Ohne den wirklichen Superstar hätte ich meinen Mann nie kennengelernt. Doch hier und da frage ich mich durchaus,
wen ich vielleicht ansonsten kennengelernt hätte.
Des (Musik)-Showgeschäfts war ich schneller überdrüssig als ich je gedacht hatte: der schöne Schein konnte der Realität nicht standhalten. Diese Küsschen hier - Küsschen da-Gesellschaft war in meinen Augen zu gleichgeschaltet - und es konnte durchaus passieren, dass jemand gleichzeitig Küsse u n d Dolchstiche in die Rücken verteilte.
Wie immer: das gilt nicht für alle. - Aber ich zog mich mehr und mehr und sehr gerne von dem Business zurück. Lieber baute ich eigene Luftschlösser als anderen dabei zuzusehen, wie sie ihre in der Stabilität hielten und sich dabei nicht selten verbiegen mussten.
Irgendwann hatte es sich für meinen Superstar aus der wirklich hinteren Reihe ausgesungen - und er konnte sich wieder voll und ganz auf seinen eigentlichen Beruf konzentrieren.
Ich war froh darum, auch, weil ich in meiner eigenen Welt die Füße auf den Boden behalten konnte.
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