Lillis Ideen-Eintopf
Seit zwei Jahren war die 65jährige Lilli Witwe. Ihr Mann Klaus fehlte ihr, und vor allem fehlte ihr die stetige Bemühtheit, sich allumfassend um ihn zu kümmern. Sie kochte und backte für ihr Leben gern - und Klaus schluckte all die Ergebnisse aus lauter Liebe und äußerlich begeistert hinunter, und wenn sie nicht hinsah, entsorgte er einen Teil ihrer Koch- und Backergebnisse, wo immer sich ein Plätzchen dafür fand.
Die Liebe zu seiner Lilli ging bei ihm ganz sicher nicht durch den Magen - aber sie hatte den immensen Vorteil, dass er niemals dick wurde. Wenn es sich ergab, ging er heimlich in ein Restaurant, um endlich einmal zu schlemmen. Diese Sünden bereute er sogleich wieder, aber manchmal konnte selbst ein standhafter Kerl nicht widerstehen - und ging in fremden Küchen fremd.
Nun hatte Lilli ihren Lebensinhalt verloren - und sie musste einen neuen finden. Klaus hatte ihr Essen immer gelobt, und daher dachte sie, ein kleines heimeliges Home-Restaurant zu eröffnen. Zu einem Probeessen lud sie drei Freundinnen ein. Es war deren erste Essenseinladung bei Lilli, denn Klaus hatte solche Events immer verhindern können ...
Die Freundinnen wollten ehrlich sein, und am Ende waren sie es auch: "Bitte Lilli, du kannst fremde Leute nicht bekochen ... gibt es nicht ein anderes Hobby, das für dich denkbar wäre?" Sie trugen ihre niederschmetternde Bewertung mit größter Vorsicht und verlegenem Lächeln vor. Bedröppelt saß Lilli vor ihren Kochergebnissen und fragte sich, warum Klaus sie wohl ihr ganzes Ehe-Leben lang belogen hatte.
Aber noch war sie nicht am Ende ihrer Ideen. Sie wollte ihre viele Freizeit unbedingt sinnvoll füllen - ums Geld ging es ihr dabei gar nicht, höchstens um viel Spaß und neue Fürsorge.
Schließlich kam sie auf eine Klientel, die nicht so pingelig wie Menschen und auch nicht so anspruchsvoll ist. Wenn sie dieser Häppchen vorsetzen würde, die etwas verkocht oder zäh waren - es störte sie nicht, sondern stählte zudem ihre Gebisse.
Sie dachte an Hunde.
Das Dinner für Hunde
Sie maß ihr Wohnzimmer aus - und fand, dass sie Platz genug für 9 Hunde hatte, inklusive genügend Abstand für die Näpfe. Die suchte sie sorgfältig aus, denn es interessierte vielleicht nicht die Hunde selber, aber deren Besitzer. Vor jedem Napf lag ein kleiner Teppich aus Plüsch, damit die anvisierte Kundschaft bequem sitzen konnte.
Schnell fand sie 9 Besitzer mit jeweils einem Hund, die bereit waren, Lillis Dienste in Anspruch zu nehmen ... auch, weil Lilli versprach, den Hunden einzigartige Stunden zu bereiten. Genügend Spielzeug war rasch gekauft ... die Show konnte beginnen:
aber die verlief völlig anders als gedacht.
Die gefüllten Näpfe wurden erst einmal missachtet, weil die Hunde sich gegenseitig beschnuppern mussten - und sehr schnell fanden sich zwei hündische Gäste, die aufeinander losgingen und sich gegenseitig zähnefletschend anrüpelten. Ein dritter Hund namens "Scholle" fand es passend, alle anwesenden Artgenossen der Reihe nach zu besteigen, um seine Dominanz zu beweisen.
Dabei holte er sich eine fette Bisswunde am Hals von "Rosy" ab, die niemandem die Rüdenschaft über sie erlaubte.
Lilli hatte alle Hände voll zu tun, die Hunde vor ihre Näpfe zu setzen - aber schließlich wollten alle nur vor demselben Topf sitzen und daraus fressen.
Nach einer kurzen Weile und ausgiebigem in die Luft schnuppern, spürte "Felix", dass Lust in der Luft hing - und stürmte auf die kleine "Bonbon" zu: sie war läufig, und wurde beinahe das Opfer zweier weiterer unkastrierter Rüden.
Das war kein guter Ideen-Eintopf
Schließlich trennte Lilli die Hunde so gut es ging voneinander und rief die Herrchen und Frauchen um dringende Hilfe an ... ihre Idee war gescheitert, und das im ersten Anlauf.
Was macht Lilli heute?
Auf dem Friedhof hat sie einen anderen trauernden Menschen kennengelernt, einen Witwer. Er besucht sie nun dreimal wöchentlich ...
und sie kocht wieder. Und bekommt wieder viel Lob von einem Mann, der sie mehr liebt als ihr Essen - und gerne alles runterschluckt, wie misslungen es auch immer ist.
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