Samstag, 7. August 2021

7. August 2021 - Die Selbstdarsteller



Die Selbstdarsteller

Gut, dass Facebook (und andere soziale Netzwerke) einem Schneeballsystem nachempfunden sind, denn so muss man nicht jeder Schneeflocke sogleich folgen ... und bekommt die vielen Selbstdarsteller nur auf ausdrücklichen Wunsch zu Gesicht.

Der Begriff "Selbstdarsteller" ist auf den Soziologen Erving Goffman zurückzuführen. Sein 1956 erschienenes Werk heißt The Presentation of Self in Everyday Life. Die deutsche Übersetzung lautet: Wir alle spielen Theater.

Anfang der 1990er Jahre wurde der Begriff "Psychologie der Selbstdarstellung" von Hans Dieter Mummendey in seine Arbeiten übernommen. Er beschreibt die Szenerie der Inszenierung, "mit der eine Person ein gewisses Ansehen über sich bei anderen Personen hervorrufen will".

Es gibt unter diesen Humblebrags große und kleine, aber es ist davon auszugehen, dass auch kleine Selbstdarsteller zu ganz großen heranreifen möchten, und dabei sind sie selbstverständlich auf die Aufmerksamkeit der vielen anderen Menschen unbedingt angewiesen.

Der Begriff "Selbstdarsteller" wurde 2010 von dem Amerikaner Harris Wittels "Humblebrag" genannt.

Von da an ging es auch mit den Selbstdarstellern steil bergauf. Endlich konnte jeder einzelne das Publikum finden, das er wollte - und vor allem sehr viel davon. Auf den einzelnen Menschen kommt es nicht mehr an, nur darauf, dass möglichst viele die Selbstdarsteller-Schau begleiten, obwohl diese Vielen mehr oder weniger nur Nummern sind, die keine individuelle Bedeutung haben und nur in der Gesamtanzahl interessant sind.

Diverse TV-Sendungen runden das Selbstdarsteller-Programm enorm ab, wenn nicht sogar manche Sender beinahe ausschließlich von ihnen leben. Das ist natürlich eine Win-Win-Situation: die eine Seite möchte sich präsentieren bis zum Überpräsentieren hin, die andere Einschaltquoten generieren und noch mehr Kohle verdienen als die Protagonisten.

Auch manche Schauspieler sind Selbstdarsteller. Aber meines Wissens sind sie nicht so demonstrativ vertreten wie ehemalige und eigentlich immer-noch-Normalos, die nun zu den Z- bis aus-dem-Alphabet-herausfallenden-Prominenten zählen:

Mir ist momentan nur eine einzige Schauspielerin "bekannt", die jeden Schnatz über ihr Leben in den öffentlichen Medien teilt, und damit sich selbst in der von ihr gewünschten Art präsentiert (die Sucht nach der totalen Aufmerksamkeit) - ob es die Leute interessieren könnte oder nicht ... (meistens kann ich persönlich darüber nur gähnen); aber dass mir nur diese eine bekannt ist, kann durchaus daran liegen, dass ich viel

zu wenig von vielen anderen mitbekomme.

Womöglich wird die nächste Generation der Selbstdarsteller gerade herangezogen: Helicopter-Eltern ebnen den Weg. Allerdings muss ich hier erwähnen, dass ich keine Psychologin bin - und mich insbesondere mit Kindern überhaupt nicht auskenne.

Aber mein gesunder Menschenverstand lässt keinen anderen Schluss zu, als den, dass die Zahl der Selbstdarsteller gravierend ansteigen wird.

Ganz koscher ist diese Art der Selbst-Sucht natürlich nicht. Da sollte der eine oder die andere mal einen Experten einen tiefen Blick drauf werfen lassen! Vielleicht sogar einen Blick in die Seele!

Oder spielen wir alle Theater? Ich glaube, dass es nicht so ist. Aber auf einem Weg dorthin sind wir trotzdem alle. Wohl dem, der diesen Weg nicht bis zum Ende oder konsequent geht - und neben sich selbst (was durchaus legitim ist) auch die vielen anderen Menschen erkennt.


Guten Tag, Gruß Silvia 

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