Samstag, 1. März 2025

1. März 2025 - Kurzgeschichte: Aus dem Leben eines Bestatters



Eine fiktive Geschichte
Aus dem Leben eines Bestatters 

Er kennt sie alle und trifft sie in anderer Gestalt und mit anderen Namen immer wieder: diejenigen, die den Verstorbenen nicht loslassen wollen, aber auch jene, die den Verblichenen bereits Jahre vor dem Tod verlassen und losgelassen haben.

Er kennt die außergewöhnlichen Bestattungswünsche genau so wie die der Luxusklasse - aber auch die der Leute, die es so billig wie möglich und so schnell wie möglich erledigt haben möchten.

Er kennt Beerdigungen, die als Großveranstaltungen durchgehen - und die sehr kleinen mit wenig Anteilnehmenden ... oder auch die, für die keine Anteilnahme gewünscht wird.

Hin und wieder macht er auch Sozialbestattungen ... für die Vergessenen der Gesellschaft.


Der Bestatter

heißt Fritjof Ackermann - während der passende Nachname zum Beruf zufällig ist, ist der Vorname von seinem Vater mit Bedacht gewählt worden: denn seit

1898 gibt es in der Familie bereits dieses Bestattungsunternehmen - und für Fritjofs Vater war sein Beruf die beste Berufung, die er ausüben konnte.

In der Familie witzelte man, er hätte seinen Sohn gern "Friedhof" genannt - aber das ging natürlich überhaupt nicht, weil kein Standesamt den Namen zugelassen hätte. So hatte Fritjof noch Glück gehabt, aber weniger Glück hatte er, dass er das Traditions-Unternehmen als einziger Sohn zwangsläufig

geerbt hatte. Schon als Halbwüchsiger gewährte ihm sein Vater einen ausführlichen Einblick in sein künftiges Gewerbe: und damit tat Fritjof sich anfangs besonders schwer - und was ihm bis heute schwerfiel, waren die Bestattungen von Kindern ...

Schon zeitig nahm er sich vor, selber nie Kinder haben zu wollen ... die Angst, sie eines Tages in ihren jungen Jahren verlieren zu können, schwebte stetig über seinem Kopf. Wie gut, dass er mit

16 Jahren spürte, dass er schwul war - und somit nicht einmal ungewollter Nachwuchs für ihn in Frage kam.

Das war für Fritjofs Vater ein Rotes Tuch: dass sein Sohn schwul war, konnte er gerade eben noch akzeptieren - aber er bearbeitete ihn dahingehend, trotzdem eine Frau zu heiraten und Kinder in die Welt zu setzen.

Bis heute hat der 38jährige Fritjof sich dagegen zur Wehr gesetzt.

Mit ihm würde das Familien-Unternehmen also eines Tages sterben. Bis dahin hat er es mit

vielen Menschen zu tun, die ihn fragend zurücklassen oder menschlich erfreuen:


Fritjofs Kunden

... befinden sich natürlich in den Ausnahmezuständen ihres Lebens: ein geliebter oder auch nicht geliebter Mensch hat sie verlassen, und gleichgültig, wer zu Grabe getragen werden soll - es ist eine schwere Situation.


Die Witwe und ihr "alter Wolf"

Es ist keine Frage, dass Rosi ihren Mann geliebt hat, aber im Laufe von 38 Jahren Ehe hat er ihr mehr Kummer als Freude bereitet: "Nur gucken, nicht anfassen" und "Gegessen wird zu Hause" hat für ihn keine Gültigkeit gehabt. Selbst im fortgeschrittenen Alter frönte er, wie ein unheilbarer Spieler ständig auf den maximalen Gewinn schielt, seiner Leidenschaft, Frauen zu erobern. 

Im Bett seiner - natürlich - letzten Affäre hat ihn ein Herzinfarkt tödlich getroffen.

Das sei typisch für ihren Mann - selbst im finalen Kapitel seines Lebens noch einmal zusätzliches Leid für sie bereitzuhalten ...

Sie wählt eine Feuerbestattung, um damit auch all seine, aber auch ihre niederträchtigen Gedanken zu verbrennen - und an seiner Grabstelle möchte sie das

Hildegard Knef-Lied "Der alte Wolf" gespielt haben.

"Der alte Wolf wird langsam grau - nun will er friedlich sein und lieb zu seiner Frau ...
Dem alten Wolf wird langsam klar, heut' sind die jungen Wölfe das, was er mal war"

So viele Jahre hatte Rosi sich aufs Alter mit ihm gefreut ... aber er konnte auch im Alter nicht akzeptieren, dass er ein alter Kerl war.


Die Asche von Marys Hund

Mary ist mit 81 Jahren verstorben, und ihre Nichte Celina hält Fridjof eine kleine Urne entgegen, in der sich Marys sehnlichster "Wunsch" befindet - in der Urne ist die Asche ihrer vor 10 Jahren verstorbenen Hündin "Bonny". Mary hatte sich immer gewünscht, dass diese mit ihrer eigenen vermischt wird.

Eigentlich illegal, mein Fritjof und schlägt Celina vor, die Asche des Hundes später der Erde des Urnengrabes beizumischen. Das ist zwar auch nicht erlaubt, aber eben auch nicht von

Celina erwünscht.

Manchmal drückt Fritjof beide Augen zu. Nun ruhen die Überreste von Mensch und Tier in einer gemeinsamen Urne.


Das Schönheits-Ideal

Johnny, der eigentlich Hans heißt, muss mit Fritjof Gärtner über die Bestattung seiner Frau Peggy, die eigentlich Margaret geheißen hat, sprechen. Johnny erzählt, dass Peggy sich stets ein Lifting und das Aufspritzen ihrer Lippen gewünscht hat,

aber sie zeitlebens zu viel Angst vor Spritzen und Narkosen gehabt hätte. Fritjof

versteht, dass Johnny seiner Peggy diesen Wunsch nun erfüllen möchte und weiß Rat:

sein Lebensgefährte Boris ist Kosmetiker, und er zieht ihn regelmäßig hinzu, um die Verstorbenen ein wenig bis sehr ausgiebig zu verschönern. Für Peggy

holt Boris nun das volle Besteck heraus und verschafft ihr posthum das glatte Aussehen und die Aufdringlichkeit eines großes Mundes. Ihren großen Auftritt wird sie haben, wenn sie vor der Bestattung aufgebahrt wird.

Johnny ist von dem Ergebnis sichtlich gerührt.


Fritjof 

ist stets bemüht, Kundenwünsche zu erfüllen, wenn es ihm auch nicht immer möglich ist. Manches ist nicht durchführbar, während anderes nicht nur gegen das Gesetz, sondern auch gegen seine Prinzipien verstößt. Menschen

in Trauer oder Menschen, die einen anderen Menschen verloren haben - und eben nicht in der üblichen Weise trauern - haben oft die

seltsamsten Einfälle, um nicht zu sagen, dass Ideen auch haarsträubend sein können und sich von selber verbieten.

Er hat mit Menschen zu tun, die die billigsten Bestattungen wünschen, obwohl sie geradezu in Geld schwimmen und fehlendes Geld gar kein Hinderungsgrund für eine gute Beerdigung wäre - und er weiß von Menschen, die all ihr Erspartes zusammenkratzen, um dem Verstorbenen einen würdigen Abschied zu schenken.

Und Fritjof weiß, dass kein Mensch wie der andere ist ... und dass einer nicht die Motive eines anderen verstehen muss und manchmal auch gar nicht kann.

Mit bedächtiger Miene erledigt er, was er erledigen kann - und lehnt ab, was er auf keinen Fall erlauben darf. Manchmal steht er wortinsolvent den Wünschen

gegenüber, manchmal findet er eine Alternative zu den tollkühnsten Kunden-Vorstellungen, um sie abzufedern und abzumildern.


Guten Tag, Gruß Silvia



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