Stille Post
Wer als Kind völlig ohne Internet aufgewachsen ist, kennt dieses Spiel, das ich einmal kurz für jene erkläre, an denen andere schöne Freizeitbeschäftigungen völlig zugunsten der jener geliebten und süchtig machenden Datenbanken vorbeirauschen:
In einer Gruppe von Kindern flüstert das eine dem Nachbar-Kid einen Satz ins Ohr. Dieses Kind gibt den Satz - so wie es ihn versteht - ans nächste weiter. Am Ende kommt, und da kann man sicher sein, etwas völlig anderes heraus als der Satz, den das erste Kind in die Welt gesetzt hat.
Und spätestens jetzt kennt jeder dieses Spiel, wenn auch nicht aus der Kindheit oder in dem Rahmen eines Gesellschaftsspiels. Nur, liebe Internet-Freunde, nur die Emojis, die fielen damals komplett aus. Man durfte trotzdem über das Ergebnis lachen. Immerhin war es die Absicht des spielbeginnenden Kindes, dass am Ende ein absurder Kauderwelsch oder ein alternativer Fakt herauskam.
Für derartige Spielereien muss man sich heute nicht zusammen setzen und gemeinsam Spaß haben, denn jeder kann für sich allein vor seinem Rechner sitzen und
eine Neuigkeit in die Welt hinaus-schreiben, die dann von anderen, die ganz woanders, aber vermutlich auch allein auf ihrer Couch hockend, kommentiert werden darf.
Nein, Halt, stimmt nicht ganz - niemand muss allein sein, wenn er auf das Geschriebene reagiert,
denn immerhin auch jemand in Gesellschaft und in einem Restaurant sitzend,
aber das Smart-Phone vor Augen, doch jedes menschliche Gegenüber aus den Augen verlierend, kann
auf alles mögliche antworten, was gerade im Netz veröffentlicht wird. Das fördert sogar den Unsinn, der bei diesem Spiel heraus kommen kann. Denn die reale Ablenkung kann wirklich lästig sein. Bei meinem letzten Restaurant-Besuch vor ein paar Tagen saßen an einem Nebentisch vier Leute - die alle nur ihr Smart-Phone im Sinn hatten. Da wurde sogar das Essen zur Nebensache - natürlich erst, nachdem es fotografiert worden war.
Zu den Posts, die man im Netz lesen kann, sind dann ergebnisorientiert die Antworten mancher zu lesen, die unaufmerksam das Lustige verjubeln
und daraus ein Trauerspiel machen können. Zeitungsartikel werden nach Überschriften-Inhalten kommentiert,
während ein Guten Morgen schon bald als Gute Nacht, ihr Dummbratzen verstanden wird, weil während des Zappens durch die Kommentare der Ursprungssinn völlig verloren geht. Es ist wie im richtigen Leben:
Niemand hört gerne zu, es sei denn, er redet selber. Niemand liest gerne, es sei denn, er schreibt selber.
Die Stille Post - heute soziale Medien - gleicht einer Gerüchteküche, in der vorne der Kochheld eine Suppe zubereitet - und auf den Tisch kommt dann ein dilettantisch gemaltes Bild.
Ich bin nun still, gebe kein neues Gerücht weiter, denn am Ende der langen Reihe wird es längst nicht mehr mein eigenes sein, sondern ein völlig fremdes Gerücht.
Guten Tag, Gruß Silvia
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