Samstag, 11. Mai 2019

11. Mai 2019 - Die deutsche Sprache ist voller Augen-Blicke



Die deutsche Sprache ist voller Augen-Blicke

Der eine oder die andere wird es kennen: Man bricht sich einen Arm, und plötzlich sieht man überall die Gleichgesinnten, die ebenfalls einen Arm oder ein Bein in Gips mit sich herumtragen müssen. Vorher ist es einem überhaupt nicht aufgefallen, denn das gehört zum normalen Straßenbild und wird nicht weiter registriert.

Seitdem mein Yorkie Robin nicht nur blind ist, sondern auch ohne Augen durch sein weiteres Leben gehen muss, fiel mir etwas anderes auf:

Die deutsche Sprache ist voller Augen-Blicke.

Die Augen gehören zu den wichtigsten Sinnes-Organen, die wir besitzen ... und daher fällt es mir plötzlich wesentlicher, manchmal auch trauriger und intensiver ins Auge, wie vernarrt unsere Sprache in die Augen ist.

Man kann ein Auge zudrücken oder auch beide Augen offen halten, um dann doch die Augen vor etwas zu verschließen. Mit Adleraugen erkennt man, dass es Liebe auf den 1. Blick ist. Wenn man die Blickrichtung wechselt, könnte man auf beiden Augen blind sein.

Ich seh' dir in die Augen, Kleines ... wer kennt das Filmzitat nicht, das noch heute, nach gefühlten hundert Jahren seit Entstehung des Films, kursiert.

Mein Augapfel ist ein besonders liebenswertes Kompliment an einen geliebten Menschen.

Und doch:

"Es nimmt der Augenblick, was Jahre geben" schrieb Goethe.

Auge um Auge, Zahn um Zahn -

und ganz böse hat es Heinrich Heine niedergeschrieben:

"Ärgert dich dein Auge, so reiß es raus. Ärgert dich deine Hand, so hau sie ab. Ärgert dich deine Zunge, so schneide sie ab. Und ärgert dich deine Vernunft, so werde katholisch."

Man reibt sich den Schlaf aus den Augen, um den Tag sehend zu beginnen.

"Um klar zu sehen, reicht oft ein Wechsel der Blickrichtung", schrieb Antoine de Saint Exupery, dessen Zitat

"Man sieht nur mit dem Herzen gut - das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar" zu den bekanntesten Buch-Zitaten überhaupt gehört.

Und Rilke meint: "Es gibt Augenblicke, in denen eine Rose wichtiger als ein Stück Brot ist."

"Wenn ihr eure Augen nicht gebraucht, um zu sehen, werdet ihr sie brauchen, um zu weinen" - brachte Sartre zu Papier.

Kästner, ganz er selbst, schrieb: "Die deutsche Literatur ist einäugig. Das lachende Auge fehlt."

Neben den klugen Sprüchen gibt es die alltäglichen:

Hast du denn keine Augen im Kopf . Sieh mal genauer hin . Bist du denn blind? . Sehenden Auges läufst du in dein Unglück .

Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen.

Manchmal zucke ich bei einem lässig gebrauchten Augen-Blick-Ausdruck erschrocken zusammen - denn - wie traurig ist es, wenn jemand nicht sehen kann. Doch wir wenden auch für ihn diese Augen-Blicke an.

Und halten viele Augenblicke fest


Guten Tag, Gruß Silvia





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