Mittwoch, 17. Juni 2015

17. Juni 2015 - Todesfälle - Harry Rowohlt



"Sagen, was man denkt.
Und vorher was gedacht haben" - Harry Rowohlt


Untrennbar den kleinen Leuten verbunden: Jenen, die die Lindenstraße bevölkern und auch den kleinen Menschen, die noch Kinder sind. Das erste Buch, das er übersetzt hat, war ein Kinderbuch. Seit Jahrzehnten spielte er in der Lindenstraße den "Penner" Harry. Wohl auf eigenen Wunsch, was auch immer hierfür der Grund gewesen sein mag.

Die Rolle des Harry war in etwa der Gegenentwurf zu der Rolle, die ihm das Leben in die Wiege gelegt hat: Er wurde als Sohn des Verlegers Ernst Rowohlt geboren. Den Verlag verkauften er und sein Bruder in den 80er Jahren.

Vielen Freunden intelligenter und humorvoller englischsprachiger Literatur wird er in Zukunft fehlen, denn seine Übersetzungen waren einzigartig und dem Vernehmen nach genialer als die Originale. Seine Liebe galt den besonderen Wortschöpfungen und wohl auch dem Alkohol, der ihn bis ins Jahr 2007 als Bühnenpartner begleitete. Lesungen, die schon mal bis zu sechs Stunden dauern konnten, brauchten Schmiere für die durstige Kehle.

Dann erkrankte er an Polyneuropathie und musste um des längeren Überlebens willen auf den "guten" Freund verzichten.

Das fehlende Element minderte jedoch nicht die Qualität seiner Bühnenauftritte, die er gerne abschweifend plaudernd mit Einfällen und Einwänden und Geistesblitzen auffrischte. Er nannte sich selber den "Paganini der Abschweifung".

Leider ist er nur 70 Jahre alt geworden und gestern nach langer Krankheit verstorben. In Buch-Übersetzungen wie "Die Asche meiner Mutter" und vielen hinterlassenen Hörbüchern wird man weiterhin seine Stimme hören können. Ist es doch sonst oft gerade die Stimme, die Hinterbliebene am schnellsten vergessen ... Seine wird noch lange viele neue und alte Hörer erfreuen und hier und da an einen Zottelbär zurückdenken lassen.

R. I. P.

Gruß Silvia

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