Samstag, 26. April 2025

26. April 2025 - "Witwenschütteln"



"Witwenschütteln"

Ein Begriff wie aus einer liebevoll gepackten Trickkiste, mit deren symbolischer Hilfe man Witwen daran erinnert, dass das Leben weitergeht, wenn es auch in Zukunft anders aussieht - und doch ist

damit etwas völlig anderes, und zwar Bösartiges gemeint.

Denn es wird keine trauernde Witwe an die Hand genommen, um sie zu trösten und ihr Mut zuzusprechen, sondern

"Witwenschütteln" beschreibt eine schäbige Handlungsweise.

Anstatt dezent aus der Ferne Trost zu spenden, gehen rücksichtslose, skrupellose und mit allen Wassern - außer Weihwasser - gewaschene Journalisten frontal auf

die Opfer von Unfällen, auf Hinterbliebene von Mord- oder Anschlags-Opfern und auf alle Menschen zu, die sich in den 

sensibelsten und empfindlichsten Momenten ihres Lebens befinden.

Besonders Boulevard-Journalisten bedienen sich dieser unmenschlichen Überrumpelungs-Methode, aber auch seriöse Nachrichten-Sendungen

schrecken nicht unbedingt davor zurück, dem Unglück anderer Menschen direkt in die Augen zu sehen, ihr Verhalten zu kommentieren, ihre Geschichten vor allen Lesern und Zuschauern auszubreiten, weil die Öffentlichkeit ein vermeintliches Recht auf umfassende Berichterstattung hat.

Die Ellbogen-Praktik "Witwenschütteln" kennt keine Nachsicht, sondern begibt sich auf die unterste Schiene mit-menschlichen Handlungs-Missbrauchs:

Adressen von Opfer-Angehörigen werden so schnell wie möglich herausgefunden - um sie dann nicht nur zu belästigen, sondern auch unter Druck zu setzen. Können sich Angehörige auf irgendeinem Weg gegen die

beschämende eiskalte Unverfrorenheit wehren ... oder werden nicht sogleich gefunden, macht man sich im Umfeld eines Opfers schlau und besorgt sich von diesen u. a. Fotos des Opfers oder bemüht sich, auf Social Media fündig zu werden ...

Respekt vor dem Leid anderer Menschen kann man in vielen Berichterstattungen nur in den geschriebenen Wörtern oder Bildern erkennen, denn stilistisch möchte man natürlich auf die Tränendrüsen drücken - die 

wiederum die Auflage oder die Sehbeteiligung stärken.

Und nur darum geht es, denn Emotionen verkaufen sich gut, und hier greift der schnellste mit dem teuflischsten Tempo die stärksten Bilder ab:

weinende Menschen voller Trauer ... ein Highlight für diese Art von Journalismus.

Seit 1985 ist dieser Begriff bekannt - und nach 9/11 (11. September 2001) kam das "Witwenschütteln" deutlich in die Kritik ...

geändert hat sich bis heute gar nichts.

Zu jedem Ort, an dem schreckliche Dinge passieren, schwirren die Reporter des Grauens aus, um sich an die Fersen der Menschen zu hängen, die

in diesen Momenten ihre Ruhe und vielleicht das Gespräch mit einem Trauerbegleiter bräuchten.

Am Ende stehen die Opfer-Angehörigen nicht nur mit ihrer Trauer vor einem Scherbenhaufen ihres Lebens - sondern sind

noch zusätzlich belastet durchs "Witwenschütteln", durch wahre oder angedichtete Geschichten, denn viele Tränen

fließen leichter über die Druckerschwärze, wenn sie der richtige Reporter in die Tastatur gehämmert hat - nachdem er ohnehin bereits

alle Hemmungen gegenüber anderen Menschen verloren hat.


Guten Tag, Gruß Silvia



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