Grzimek
Alt und verbittert haut der Mann in die Tasten seiner Schreibmaschine und spricht über sein Leben, das ebenso erfolgreich wie von bitteren Schicksalsschlägen durchdrungen ist: Der eine, der geliebte Sohn Michael, kommt bei einem Flugzeugabsturz in der Serengeti ums Leben. Der andere, der von ihm wenig beachtete Adoptivsohn, nimmt sich später das Leben. Seine zweite Frau war zuerst seine Schwiegertochter, und zwei außereheliche Kinder gibt es auch noch.
Der Mann, der an allen Fronten für das Wohl der Tiere kämpft, ist privat als Ehemann eher eine Zumutung für seine Frau und lebt das freigeistige Chaos voll aus: Fremdgehen ist für ihn wie ein Frühstücksei von frei laufenden Hennen zu verspeisen. Sein wirklich wichtiges Anliegen gilt nur den Tieren, auch, wenn er selbst in dieser Hinsicht und aus heutiger Sicht nicht alles richtig macht: Was soll ein Raubtier als Haustier? Einerseits ist es sein Traum, dass es eines Tages keine Zoos mehr geben muss, um den Erhalt der Tierarten zu gewährleisten - und sie alle in Freiheit in großen Reservaten leben können. Andererseits sperrt er einen Geparden in seinem Privat-Haus ein.
"Die Serengeti darf nicht sterben" ist das oscar-prämierte Werk von Grzimek und seinem Sohn Michael, der in eben dieser Landschaft einen tödlichen Unfall mit dem Flugzeug hatte. "Ich hatte nur eine Bedingung", sagt seine Frau Hilde, "dass du ihn mir heil zurück bringst" - von da an geht die Ehe endgültig den Bach runter. Aufgefangen wird der Schwerenöter von seiner Schwiegertochter, was einmal mehr seine Rücksichtslosigkeit aufzeigt: Es hätte jede andere Frau auf der Welt sein können, aber es musste eben diese sein. Ein doppelt schwerer Schlag für Hilde. Aber Rücksichtnahme kommt in Grzimeks Wortschatz nicht vor. Und privat ist er nicht der liebe Erklärbär aus dem Fernsehen, der einer Nation den Tierschutz näher bringt.
Und so schließt sich der Kreis: Ein Exzentriker auf der einen Seite, ein Tierfreund auf der anderen. Der sich mehr und mehr von den Menschen abwendet, weil sie ihm nichts mehr geben können und somit nicht weiter von Nutzen für ihn sind.
Der Film mit Ulrich Tukor in der Hauptrolle zeigt die bipolare Persönlichkeit Grzimeks auf, geht aber auf einige Dinge nur am Rande ein, so wie seine Vergangenheit in der Nazi-Zeit. Das wird ohne Zweifel eine gewisse Zeitung heute gern nachholen, Nachtreten liegt denen im Reporter-Blut. Katharina Schüttler als seine zweite Ehefrau nimmt sich erfrischend zurück in ihrer Darstellung, Barbara Auer als gebeutelte Ehefrau ist eine Klasse-Besetzung. Ein paar Beziehungsfragmente der einzelnen Personen untereinander werden in kurzen prägnanten Szenen angerissen - um die Unnahbarkeit des Bernhard Grzimek noch deutlicher zu machen. Diese Unnahbarkeit hatte er gegenüber der Tierwelt zum Glück nicht. Und so ist es am Ende nicht wichtig, wie er sich als Mensch anderen Menschen gegenüber verhalten hat - sondern, was er den Menschen mit auf den Weg gegeben hat: Die Serengeti darf nicht sterben.
Ein Film, ganz nah am Zeitgeist.
Guten Morgen, Gruß Biene
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