Die Jahre ohne Heinz
Ich kann mich an seine letzten Worte, halb lachend, halb brüderlich mahnend, erinnern, als hätte er sie gestern zu mir gesagt. Danach habe ich ihn nie wiedergesehen. Für den Rest meines Lebens klingen mir seit damals immer wieder einmal diese Worte im Ohr ... denen eigentlich noch viele, viele folgen sollten. Aber
das nächste, was ich hörte, war nichts von, sondern über ihn: Heinz war bei einem Hotelbrand gestorben. Er wurde nur 19 Jahre alt.
Wie wäre sein Leben verlaufen, ist eine weitere nur rein spekulative Frage, die mich an manchen Tagen beschäftigt. Hätten er und seine damalige Freundin Sigrid geheiratet, hätten sie Kinder bekommen - oder hätte er sich so früh nicht festgelegt? Ich denke, er war noch zu jung, um bereits an Heirat und Kinder zu denken -
zu jung zum Sterben war er nicht.
Viele Menschen sterben jung. Und sie hinterlassen tieftraurige und verstörte Familien, weil es nicht der normale Lauf der Dinge des Lebens ist, dass Kinder lange vor ihren Eltern und sogar Großeltern sterben.
An guten Tagen male ich mir sein nie gelebtes weiteres Leben als eine Art von ewigem Sonnenschein aus. Die gute Laune war eine seiner grundlegenden Charaktereigenschaften, so dass er auch an nicht ganz so hellen Tagen vermutlich auf der Sonnenseite gestanden hätte. Er hatte diese Wangengrübchen, die einen Blick auf sein inneres Wesen freigegeben haben - von wem er sie geerbt hatte, weiß ich nicht. Niemand aus unserer Familie sonst hatte diese Grübchen.
Weniger häufig denke ich daran, wie es gewesen wäre, wenn sein Leben in nicht guten Bahnen gelandet wäre, denn das ist einfach nicht gut vorstellbar: er war der bodenständige Typ aus dem Ruhrgebiet, den so leicht nichts umgehauen hätte. Er war der beste Kumpel für seine vielen damaligen Freunde.
Ob sie heute noch manchmal an ihn denken? Ich weiß das nicht, denn wir hatten nicht dieselben Freunde - und wenn ich auch viele von ihnen kannte, haben wir schon lange keinen Kontakt mehr.
Nicht zuletzt, aber als letzten Aspekt in diesem Blog-Beitrag, frage ich mich, ob uns die Jahre einander noch näher gebracht hätten - oder ob sie uns getrennt hätten. Hätten wir uns vielleicht irgendwann geschwisterlich entzweit? Oder hätten wir uns zwar nicht immer verstanden - wie in unserer Kindheit - wären aber immer eine familiäre Einheit geblieben?
Eine Antwort darauf gibt es nicht. Aber etwas anderes kann ich beantworten:
selbst wenn wir uns irgendwann wirklich verloren hätten, wäre ich immer froh gewesen, ihn am Leben zu wissen - und zu wissen, dass es ihm gutgeht.
Könnte ich einen Pakt schließen, wäre ich schon lange damit einverstanden gewesen, Heinz nie wiederzusehen - wenn er dafür und als Gegenleistung
nicht gestorben wäre.
Leider ist es unmöglich, mit dem Schicksal Geschäfte zu machen.
Aber die Zeit ohne Heinz wird nach hinten hin immer kürzer ...
Schlussstück
Der Tod ist groß.
Wir sind die Seinen
lachenden Munds.
Wenn wir uns
mitten im Leben meinen,
wagt er zu weinen
mitten in uns.
Rainer Maria Rilke
Guten Tag, Gruß Silvia
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