"Fühl' dich wie Zuhause"
Rosie gehört inzwischen zu den Leuten, der dieser Spruch Übelkeit verursacht. Am liebsten würde sie nie wieder jemanden einladen, denn die letzte Einladung hängt ihr in den Knochen, schlägt noch immer Nervenalarm, und sie denkt an die Zeit zurück, in der sie ihr Zuhause wieder zu ihrem Zuhause machen musste, nachdem es ihr unter Mühen gelungen war, den Besuch rauszuwerfen.
Im letzten Urlaub hatte sie die Familie mit insgesamt fünf Mitgliedern kennengelernt. Rosie verrät den Namen nicht, weil sie ohnehin der Meinung ist, dass sie nur "Flodder" heißen können - und sich unter falschen Voraussetzungen bei ihr eingenistet haben. Wie hatte sie sich auf das Wiedersehen gefreut! Ihre Wohnung hatte sie auf Extra-Vordermann gebracht und Blumen für alle Räume gekauft, die noch Duft und vor allem viel Farbe verstreuten.
Ziemlich gesittet aussehend reisten die Flodders an, denn gleich mit der Tür ins Haus fallen, wollten sie schließlich nicht. Das Drama entwickelte sich schleichend, aber konsequent.
"Fühlt euch wie Zuhause", empfing Rosie die Gäste. Ein Spruch, der ihr in Zukunft nie wieder über die Lippen kommen wird. Fünf lächelnde Flodder-Mäuler quittierten diesen Satz mit einem tiefen Einverständnis. Das gefiel ihnen, und sie legten unverzüglich los, sich wie Zuhause zu fühlen. Zunächst einmal befüllten sie die Waschmaschine mit ihren mitgebrachten Kleidungsstücken, die allesamt schon lange keine Reinigung mehr gesehen hatten.
Während die Maschine ihre Arbeit verrichtete, legten sie die Beine hoch, ruhten sich aus, um dann direkt zu neuen Taten zu schreiten. Sie
plünderten die Spardosen von Rosies Kindern und ließen sich auch durch die entsetzten Blicke ihrer Gastgeberin nicht zurückhalten. Durch so viel Dreistigkeit fühlte diese sich nämlich wie gelähmt. Sie verließ das Haus, um auf einem Spaziergang zu sich selber und einer Lösung zu finden.
Bei ihrer Rückkehr stellte sie zunächst die immense Unordnung fest, die ihre Gäste verursacht hatten. Zudem waren die beiden erwachsenen Gäste sturzbetrunken. Alle alkoholischen Getränke, die Rosie auch im Sinne einer guten Gastgeberin zuvor besorgt hatte, waren so gut wie aufgebraucht und durch die Kehlen ihrer Gäste gerauscht.
Rosie sah keinen anderen Ausweg, als die drei Kinder zuerst mit einem wenig Gewalt vor die Tür zu setzen, damit ihnen die Erwachsenen hoffentlich freiwillig folgten. Doch das geschah nicht - und Rosie klingelte bei ihrem Nachbarn, der von einer imposanten Figur war, um mit seiner Hilfe diese Flodders aus dem Haus zu bekommen.
Schließlich half sein Eingreifen, und endlich konnte Rosie sich beruhigt zurücklehnen, denn ihre Gäste waren aus dem Haus. Ihr blieben nur die Aufräumarbeiten - aber das würde sie spielend schaffen.
Doch sie hatte die Rechnung ohne diese Familie gemacht: erst im Nachhinein stellte sie fest, dass die mit ihrem nagelneuen Auto abgehauen waren - das dann nach einer offensichtlichen Trunkenheitsfahrt später an einer Autobahnausfahrt völlig verschrottet vorgefunden wurde.
Erst drei Tage später kam es ihr in den Sinn, nach ihrer Konto-Karte zu suchen - die unauffindbar blieb.
Mit schlotternden Knien machte sie sich auf den Weg zu ihrer Hausbank. Dort hatte man keine guten Nachrichten für sie,
denn das Konto war nicht nur leergeräumt, sondern auch bis zum Limit überzogen.
Die Moral von dieser Geschichte?
Es gibt keine!
Nur Rosie hat für sich entschieden, in den nächsten 20 Jahren keine Gäste mehr einzuladen ... und ihnen vor allen Dingen nicht zu sagen
"Fühl dich wie zu Hause."
Guten Tag, Gruß Silvia
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