Freitag, 5. Juli 2019
5. Juli 2019 - Mein Hunde-Altersheim
Mein Hunde-Altersheim
Auch Hunde kommen in die Jahre, und da stellt sich für keinen Hundebegleiter die Frage: Wohin schieben wir ihn jetzt ab? Nun ja, nicht für keinen, das wäre, als würde man die Welt durch eine rosarote Brille betrachten und obendrein noch auf einem Auge blind sein. Denn so mancher schiebt seinen alten Kameraden ins Tierheim ab oder, noch schlimmer, setzt ihn aus. Ob ich solche Leute persönlich kenne, ist mir nicht bekannt, aber durchaus möglich. Man sieht ja niemandem seine niederträchtigen Handlungen an der Nasenspitze an. Vor einer Weile habe ich etwas schier Unglaubliches gelesen:
Leute haben ihren alten, kranken Hund im Tierheim abgegeben und einen jungen mitgenommen. Falls diese Story der Wahrheit entspricht - woran es ja hier und da stets Zweifel geben kann - dann ist das von den Tierheimbetreibern noch einen Ticken anstößiger als von den Haltern des alten Hundes.
Ich habe mich entschieden, die Zeiten mit meinen beiden Hunden so hinzunehmen wie sie kommen - und sogar zu genießen. Sie waren jung, wild und ungehorsam.
Jetzt sind sie alt, nicht mehr ganz so wild, aber immer noch nicht gerne gehorsam.
Robin gab bis vor kurzem noch gerne den "ich-krieg-jedes-mädchen-rum"-Typen. Plötzlich interessieren ihn Hunde-Mädchen nicht mehr. Auf seinen blinden Wegen durch diese seine letzte Zeit lassen sie ihn gleichgültig. Doch mal sehen, ob die alten Triebe wieder erwachen, wenn wir ein läufiges Hundgirl passieren. Es gibt schließlich Eigenschaften, die nie verloren gehen ... aber eher sind sie bei Menschen anzutreffen:
Da brezeln sich die Uralt-Rocker noch mal zu voller Größe auf und schummeln sich dabei dieses und jenes in die Gesäßtasche.
Ein Hund schummelt nicht, er steht zu seinen jeweiligen Lebenslagen. Geht es für Robin nach draußen, soll ich ihn gefälligst nach unten tragen. Danach ist er bereit, wieder selber zu laufen. Nicht mal Bienchen gegenüber, die den Weg auf den eigenen Füßen zurücklegt, schämt er sich.
Das Schämen ist ebenfalls Menschen vorbehalten. Robin ist alt, und er weiß das. Bienchen ist alt, sie steht weitgehend dazu - nur, wenn sie unterwegs ihre Feinde trifft, läuft sie wieder zur Höchstform einer dreijährigen Hündin auf. Zur Sicherheit des entgegen kommenden Rottweilers halte ich sie dann eine Weile fest, sonst geschehen noch Zeichen und Wunder, und sie nimmt sich diesen Riesen kräftig zur schmalen Brust.
Rundumbetreuung
Es könnte den beiden, Robin und Bienchen, hier ähnlich ergehen wie manchen Menschen, wenn sie in ein Altersheim kommen:
Das Null-Acht-Fünfzehn-Essen schmeckt nicht! Die Altenpflegerin springt nicht, wenn man nach ihr ruft undsofort ...
Robin war immer ein mäkeliger Fresser, und er hatte nie auch nur ein Gramm zu viel auf den Rippen. Anders Bienchen: Sie liebte Essen um des Fressens willen. Das hat sich bei ihr auch ein wenig geändert. Nur die Beute auf den Wegen in den Straßen ... da schnappt sie gnadenlos zu. Aber ich passe auf und verderbe ihr regelmäßig den Spaß.
Hundefutter mag sie jetzt auch nicht mehr wirklich gern. Also koche ich an einigen Tagen in der Woche oder füttere etwas hinzu, das eigentlich Menschen vorbehalten ist. Die Skalverei ist eben noch nicht wirklich und in allen Bereichen abgeschafft ... aber ich versklave mich gerne.
Somit können sie sich nicht beklagen wie manche alte Menschen das durchaus zu Recht dürfen.
Hier und da geschieht ein Geschäftchen-Unglück: Aber was ist schon Pippi oder ein Häufchen auf dem Boden gegen all die Liebe im Herzen? Das erstere ist mit einem Wisch wieder weg, das letztere bleibt zum Glück.
Robin bekommt zweimal täglich Herzmedikamente, aber das ist das geringste aller Probleme, denn erstens ist er damit hervorragend eingestellt und zweitens hat er dazu die richtige innere
Einstellung: Schnauze auf, schnell runter damit. Ja, er öffnet die Schnauze freiwillig, um die Tabletten zu schlucken. Ich muss dafür keine Kunststückchen veranstalten, um sie in ihn hineinzuwürgen ...
Das ist wohl unserem Medical-Training zu verdanken. Bienchen (von meiner Mutter geerbt, als sie 6 Jahre alt war) hat leider kein Training genossen. Bei ihr ist es ein Balance-Akt, Medikamente zu verabreichen. Da muss die Altenpflegerin schon mal rabiat werden oder einen Kunstgriff anwenden.
Intellektuell
haben sowohl Robin als auch Bienchen keine Beinträchtigungen. Demenzerkrankungen sind uns bislang erspart geblieben. Beide sind geistig voll auf der Höhe, wenn auch körperlich ein wenig eingeschränkt. Zwar wäre ich traurig, wenn sie nicht mehr wüssten, wer ich bin, aber an meiner Pflegebereitschaft würde das nichts ändern.
Für Robin heißt es: Vom Kinderzimmer bis zu einem betreuten Wohnen im Alter. Bienchen kam ja erst in ihrem 7. Lebensjahr zu uns, aber für sie gilt dieselbe Fürsorge und meine Liebe sowieso.
Es ist sogar spannend, die Jetzt-Zeit mit der Vergangenheit zu vergleichen, denn jede Zeit hat ihren besonderen Reiz und ihre schönen Stunden, die ohnehin überwiegen. Die jetzigen Wehwehchen sind meist völlig banale, mit denen wir drei spielend fertig werden.
Und für Sonntage haben wir eine ganz besondere Hilfe engagiert: Diese führt Robin dann geduldig durch seinen Wald, während ich mit Bienchen schon mal vorlaufe, um die Lage zu sondieren.
Ich könnte dieses Altenheim noch ewig weiter führen ... Manch ein versponnener Reporter (habe neulich von einem einen Bericht gelesen, der sich auf eine ausgesprochen blumige Sprache eingelassen hat) würde das Heim in seiner Kitsch-Sprache "Die goldene Herbstsonne" nennen.
Wir nennen es nur: "Alles ist gut. Wir stehen einfach an jedem Morgen wieder auf."
Guten Tag, Gruß Silvia
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