Sonntag, 6. Dezember 2015

6. Dezember 2015 - Adventskalender 2015 - 6. Türchen - Bienchens Geschichte


Bienchens Geschichte ist auch die meiner Mutter

Meine Mutter war schon Mitte Siebzig, als sie sich den niedlichen Malteser-Welpen kaufte. Da ein seriöser Hundezüchter ihr in diesem Alter vermutlich kein Hunde-Baby mehr anvertraut hätte, schickte sie Paul vor, Bienchen zu kaufen. Die hieß damals noch nicht Bienchen, den Namen gab ihr meine Mutter.

Paul ist etwa in meinem Alter und bedeutete für meine Mutter eine Art Sohn-Ersatz. Ich hatte ihn offenbar schon ein paarmal gesehen, konnte mich an Paul als Person aber überhaupt nicht erinnern. Da er in den Erzählungen meiner Mutter eine prominente Rolle spielte, war er mir jedoch nicht gänzlich unbekannt.

Paul gehörte das Haus, in dem meine Mutter lebte. Und zwischen Paul und meine Mutter passte kein Blatt. Höchstens ein buntes hier und da und öfter.

Mit etwas über 80 Jahren nun brach meine Mutter in ihrer Küche zusammen - und wurde am nächsten Tag von Paul gefunden. Der ließ sie ins Krankenhaus bringen.

Kurz darauf bekam ich eine Nachricht, dass meine Mutter in Zell a. d. Mosel im Krankenhaus läge. Ich brauchte eineinhalb Tage - und bin dann nach Zell gefahren.

Während all diesen Tagen blieb Bienchen allein in der Wohnung meiner Mutter. Zum Flur hin hatte diese eine dicke Glastüre, die fast durch einen Vorhang bedeckt wurde - fast, denn für das kleine Bienchen war Platz genug, sehnsüchtig in den Flur zu schauen, und auf ihre Rückkehr zu hoffen.

Ich werde ihren traurigen Blick niemals vergessen.

Aber da ich mit dem Zug nach Zell gekommen war - und die Wohnung meiner Mutter etwas außerhalb lag, nahm ich mir ein Hotelzimmer. Deswegen konnte ich Bienchen auch nicht sofort aus ihrer Einsamkeit befreien - ich wusste ja nicht, wie sie sich in einem Hotel anstellen würde.

Paul hatte es trotz der großen Freundschaft zu meiner Mutter nicht für nötig befunden, Bienchen mit in seine Wohnung zu nehmen. Er führte sie aus, er fütterte sie - aber vermutlich ängstigten ihn allein schon ein paar Tappsen auf seinem Boden, die Bienchen dort hätte hinterlassen können.

Nach zwei Wochen wurde meine Mutter nach Trier verlegt, und ich fuhr, Bienchen im Gepäck, wieder nach Hause. Auf dem Bahnsteig klammerte sie sich wie eine Ertrinkende an Paul, der sie in die Hundetasche setzen sollte.

Sie kannte ihn ja viel besser als mich.

Das war an einem Freitag. Am Montag musste Bienchen erst einmal zum Hundefriseur, und am Mittwoch hatte sie einen Termin zur Kastration in einer Tierklinik. Denn meine Mutter hatte mir gesagt, Bienchen würde läufig werden. Und da ich den unkastrierten Robin hatte (und habe), war das eine dringende Angelegenheit.

So musste Bienchen auf einen Schlag ziemlich viel verkraften: Die Trennung von meiner Mutter, die neue Umgebung, die Hundefriseurin, die Operation ... Aber sie ist hart im Nehmen.

Ein paar Wochen später bekam ich nach den üblichen Anrufen aus der Klinik den Anruf einer Ärztin. Inzwischen lag meine Mutter auf der Palliativ-Station. Und sie wollte dringend Bienchen sehen ... Das ist dort nach Voranmeldung kein Problem.

Überdies sagte mir die Ärztin, dass ihr Zustand stabil sei und sie die Klinik noch einmal verlassen würde. Sie hätte keine zehn Jahre mehr, aber vielleicht noch einige ...

Am nächsten Tag wollte ich meine Fahrt nach Trier organisieren. Dann kam der Anruf aus der Klinik, es war 8.00 Uhr morgens. Meine Mutter war gegen 3.00 Uhr am frühen Morgen verstorben.

Bienchen hat es geschafft und ist noch einmal glücklich geworden - ein drittes Mal würde sie das nicht mehr stemmen.



Einen schönen Tag im Advent wünscht Biene

4 Kommentare:

  1. Danke liebe Silvia für einen weiteren klugen Beitrag zum jetzt schon 2. Advent.

    Wir wussten ja schon ein wenig von deiner Mutter und ihrem ersten Hündchen, damals, als in jeder Hinsicht unschuldiges und (im positiven Sinne verwöhntes junges Mädchen) und wie hart ihr die Zeit und unsere Geschichte mitgespielt hat.

    Eventuell resultiert daraus auch eine gewisse Rücksichtslosigkeit, die auch ich bei meiner Mutter - in anderer Hinsicht - oft beobachten konnte.
    Sie holen sich ein Stück weit zurück, was ihnen genommen wurde.

    Wir verzichten auf einen neuen Welpen, Frida ist fast 14, Alfred Mitte 60 - ein junger Hund braucht viel Auslauf und Bewegung und das kontinuierlich über eine Lebensspanne.
    Wir haben einen Retriever fast 17 Jahre lang gehabt, 2 Katzen gemeinsam 20 Jahre, jetzt Frida, die Labadorhündin, danach wäre es nicht wirklich zu gewährleisten, selbst wenn es im Bereich des Möglichen WÄRE, ab Anfang 70 noch einmal 16, 17 Jahre konstant, Tag für Tag, fit wie ein Turnschuh zu bleiben,
    wahscheinlich ist es nicht und selbst kleinere Zipperlein bremsen einen aus.
    Ein junger Hund braucht was anderes.
    Dennoch möchten wir weiterhin einen Hund haben, überlegen deshalb einem älteren aus dem Tierheim ein neues Zuhause zu bieten, aber erst, wenn die anderen Tiere in Frieden auf unserem Acker ruhen.
    Mal schauen, wie das alles wird, liebe Grüsse und schönen Nikolaus-Advent wünscht Susi

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    1. Ja, das war etwas rücksichtslos von meiner Mutter gedacht. Andererseits verständlich - so weit weg von der ursprünglichen Heimat Dortmund, wo auch all die Menschen leben, die ihr sonst noch nahestanden. - Ich tippe mal, sie hat schon bei der Entscheidung, sich Bienchen zu holen, auf mich gesetzt - ohne mich jedoch in ihre Entscheidung mit eingebunden zu haben. - Bienchen ist jetzt 12 Jahre alt, Robin wird im Januar 12. Ich will die beiden noch ganz lange haben. Klopf auf Holz!

      Euch auch einen schönen 2. Advent. Hoffentlich gibt es nicht wieder Kalte Schnauze. -lol Gruß Silvia

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    2. Nööö, heute hatten wir mal Abenteuerspielplatz: Alfred baut seit ca 3 Jahren sehr experimentell an einem Back/Pizzaofen hinten im Garten herum. So ein spaciges Teil mit gemauerter Kuppel (hundertmal zusammengefallen) langem Schornstein (ist schon ne Wissenschaft bis der zieht) und schön verputztem Unterteil.
      Wir hatten das Ding vollkommen vergessen, auch, weil es im Sommer einfach überwuchert ist und optisch irgendwie ausfällt.
      Heute morgen nun stach es mir ins Auge - Alfred witterte Feuer (ist ein Pyromane) baute sofort die noch fehlende Ofentür, während ich den Teig fabrizierte (einfacher Hefe-Pizzateig)
      Danach spielte die Temperatur noch ein wenig Achterbahn und als wir schon aufgeben und alles in den Backofen stopfen wollten - oh Wunder - blieben konstante 250 - 300 °.
      Geduld hilft oft eben doch!

      Ja, das wird nachher lecker belegt und gegessen. Nix kalte Schnauze.

      Der Mann ist selig, Fotos liegen in der Box, Gruß Susi

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    3. Danke, ich gucke gleich mal nach. Und liebe Grüße auch an den Pyromanen, Silvia

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