Sonntag, 20. Dezember 2015

20. Dezember 2015 - Adventskalender 2015 - 20. Türchen - Die Geschwister Möllmann und das Flüchtlingsmädchen



Die Geschwister Möllmann und das Flüchtlingsmädchen

Aus ihrer Heimat Ostpreußen kommend mit einem Umweg über Dänemark, gelangte Christel irgendwann ins Ruhrgebiet. Ihre Mutter war in Dänemark verstorben, und der Vater und die drei Brüder waren vermisst oder auch bereits tot. Und sie lebte zunächst bei Verwandten in Bochum

In Dortmund hatte das Geschwisterpaar Möllmann eine Gastwirtschaft mit gut bürgerlicher Küche. Bruder und Schwester bewirtschafteten nicht nur das Lokal miteinander, sondern verbrachten ihr ganzes Leben gemeinsam.

Allerorts wurde Frau Möllmann nur Fräulein genannt, und das auch noch, als niemand mehr eine Frau Fräulein nannte. Ich weiß nicht, ob sie darauf bestanden hat - oder ob es sich lediglich um die Auszeichnung handelte, dass sie etwas ganz Besonderes war - eben etwas Einmaliges.

Auf welchem Wege Christel, das Flüchtlingsmädchen, zu ihr gelangte, kann ich nicht sagen. Entweder, man hat es mir nicht erzählt, oder ich habe es vergessen.

Aber eines Tages traf sie in Dortmund bei den Geschwistern Möllmann ein und fand dort ein neues Zuhause.

Hier entstand eine Freundschaft fürs Leben, obwohl die Möllmanns viel älter waren als Christel. Sie war ja noch ein sehr junges Mädchen.

Als ich später die Geschwister erstmalig wahrnahm, war ich ein ganz kleines Kind - und da kommen einem alle Erwachsenen uralt vor.

In der nahen Nachbarschaft wohnte Josef. Er verliebte sich unendlich in Christel - und sie blieb bis zu seinem Lebensende seine große Liebe.

Sie heirateten und wurden schließlich meine Eltern.

Später fanden die großen Familien-Treffen und auch die eine oder andere Hochzeit bei den Geschwistern statt. Es gab einen großen Saal in der Gastwirtschaft, der sich besonders für Hochzeiten eignete.

Vermutlich wurden auch so einige Beerdigungs-Nachfeiern dort begangen. Das waren die Anlässe, zu denen man mich als Kind nicht mitnahm. Bis heute kann ich daher nur wenige Beerdigungen vorweisen, zu denen ich gegangen bin. Wo es geht, drücke ich mich darum.

Meine letzte Erinnerung an die Geschwister Möllmann endet irgendwann Anfang der 1990er Jahre. Zuerst ist der Bruder gestorben - seine Schwester hat ihn um einige Jahre überlebt.

Und ich merke gerade, dass ich es seltsam finde, mich überhaupt nicht an ihre Vornamen erinnern zu können. Für mich waren sie immer nur Herr und Fräulein Möllmann.

Einen schönen Adventstag wünscht Biene





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