Samstag, 5. November 2016

5. November 2016 - Kurzgeschichte von Silvia Gehrmann - "Das Geisterhaus" - Teil 2



Das Geisterhaus

Seit dieser Nacht durfte Laberfürst in Brittas Bett schlafen. Zuvor hatte sie ihn immer daraus vertrieben, was zwar nicht einfach war - aber der intelligente Kater hatte letztlich verstanden, was sie duldete und was nicht. Sie klammerte sich manchmal wie eine Ertrinkende an ihn, und in der Tat schenkte er ihr Geborgenheit.

Aber die Geister der zwei weiblichen Wesen - das eine sehr jung und das andere sehr alt - trieben sich weiter in ihrer Umgebung herum. Manchmal standen sie nur in einer Ecke weit weg von ihr und guckten sie an - das Mädchen immer böse, die alte Frau stets freundlich - manchmal standen sie direkt neben ihr.

Britta konnte durch sie hindurchgehen, und dann fühlte sie einen kleinen Lufthauch, aber auch ein bisschen mehr - etwas, das sie nicht einordnen konnte. Laberfürst "durchlief" die Geister häufig, und er schien nichts Besonderes daran zu finden, dass sie nun mit ihm und Britta sein Haus teilten. Er schenkte ihnen sogar manchmal ein behäbiges Schnurren.

Natürlich hätte sie in ein Hotel flüchten können, aber Britta wollte den Kater nicht allein lassen - den man in einem Hotel vielleicht nicht geduldet hätte. Gefallen würde es ihm überdies auch nicht. Er liebte die neu gewonnene Freiheit im Garten des Hauses und der Umgebung, die er als ehemaliger Wohnungs-Kater doppelt genoss.

An einem Sonntagabend fing der Geist des kleinen Mädchens zu sprechen an, und es stockte Britta der Atem:

"Du hast alles falsch gemacht in deinem Leben."

Gerade wollte sie sich rechtfertigen, obwohl sie dem Geist insgeheim zustimmen musste, als sie merkte, dass das Mädchen wieder verschwunden war. Dann stellte sich die alte Frau neben sie und sagte leise:

"Aber das wird sich ändern."

Ich werde verrückt, dachte Britta, ich werde einfach und entsetzlich verrückt, so verrückt wie noch niemand vor mir war. Was wollten das Kind und die alte Frau ausgerechnet von ihr? Hatten sie auch schon ihre Tante Louise heimgesucht, oder gewartet, bis sie hier einzog? Warum störte sich Laberfürst nicht an den Geistern? Katzen waren schließlich als sensibel bekannt.

Am nächsten Morgen saß das Mädchen ihr gegenüber am Frühstückstisch: "Du hast es nicht weit gebracht mit all deinen großen Träumen. Nichts davon ist eingetreten. Du bist und bleibst eine Versagerin." Sie schickte ihr einen bösen Blick quer über das belegte Brot und die Kaffeetasse und direkt in Brittas Seele.

"Du bist noch jung", plötzlich saß die alte Frau an derselben Stelle, an der eben noch das Mädchen gesessen hatte, "und ich sehe es entspannt."

Die Erkenntnis, es mit einem eher bösen und einem guten Geist zu tun zu haben, erschauerte sie weniger als die Tatsache, dass sie auf einem ihr unbekanntem Wege ihre Angst verloren hatte. Sie, die ihr Leben vertan hatte, weil Angst und Mutlosigkeit sie daran gehindert hatten, es zu leben - empfand nach ein paar Wochen nur noch die Gewissheit,

dass ihr nichts geschehen konnte, so lange sich die beiden Geister gegenseitig beaufsichtigten. Besonders zählte sie auf den Geist der sehr alten Frau.

Sie schien gütig zu sein, fast so, als hätte sie zuvor ein Leben gehabt, mit dem sie zufrieden sein konnte, weil es ein erfülltes war.

Dennoch machte der blutjunge Geist Britta zu schaffen. Die Kleine war renitent und scheute sich nicht, Wahrheiten aufzulisten, die aus ihrem Leben stammten und die sie nicht gerne hörte. Im Internet suchte sie nach einer Seite, die Geister bekämpfte,

aber als sie fündig geworden war, stand die alte Frau neben ihr, und sie spürte den Hauch einer Hand, die auf ihrer Schulter lag

"Das brauchst du nicht", sagte sie, "unter Umständen werden wir von allein wieder gehen."

"Unter welchen Umständen?" Britta empfand sich als sehr mutig, diese Frage so direkt zu stellen, aber den Rest ihres Lebens wollte sie nun einmal nicht mit zwei Geistern im Haus verbringen.

"Das liegt in deiner Hand", sagte die alte Frau gütig, während der junge Geist wie ein Wirbelwind durch die Luft flog und laut lachte:

"Das schafft sie nie, nie, nie", sang das Kind.

Fortsetzung folgt

Copyright Silvia Gehrmann




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