Montag, 30. März 2015

29. März 2015 - ARD - Tatort Kiel - Borowski und die Kinder von Gaarden


Borowski und die Kinder von Gaarden

Am Ende des Films läuft der bullige Anlagehund in einem atemberaubenden Tempo fort von Kiel-Gaarden, um aufzuzeigen: Dies ist die einzige Möglichkeit, dem Stadtviertel und seinen düsteren, perspektivlosen Einflüssen zu entkommen. Doch der Lauf ist sehr wahrscheinlich ein sinnloser, denn wo ist die Alternative für den Hund, der menschlichen Schutz braucht?

So wie die Kinder von Gaarden Schutz benötigen, die  aus ihrer Perspektive nicht den Hafen mit seinen Luxuslinern sehen können - der in der Luftlinie zum Greifen nahe ist,  in Wahrheit eine unerreichbare Größe darstellt. Verloren inmitten einer Wohlstandsgesellschaft, doch schön säuberlich getrennt von dieser in einem Ghetto.

Hier wird Onno Steinhaus erschlagen aufgefunden: Der pädophile, verwahrloste und versoffene Mann, der gerne die Jungs der Gegend zu Besäufnissen und Pornos eingeladen hat. Man ist nicht nur einmal geneigt, den Kindern zu folgen, die meinen, um den sei es nicht schade. Wie aus dem prallen Leben gegriffen, tangiert das Treiben des Kinderschänders kaum jemanden? Nein, so ist das Leben nicht wirklich! Eine Mops-besitzende Nachbarin interessiert sich hier zumindest für das Schicksal des Hundes, den der Ermordete besaß und an dem er gleichermaßen seine Liebe wie auch seinen Frust abarbeitete. Der kleine Leon kümmert sich regelmäßig um den bulligen Hund.

Und der Revier-Polizist Thorsten Rausch hat immer ein Auge auf den heruntergekommenen Typen gehabt. Wenn man auch schnell denkt: Das muss mehr als ein berufliches Motiv gewesen sein, da gibt es noch eine Geschichte hinter dem ganzen Dreck, die alles noch schmutziger macht.

Von Anfang an ist der Polizist Rausch, den Sarah Brandt aus ihrer Kinderzeit kennt, verdächtig, die Tat begangen zu haben. Als er schließlich nach einem Spiel mit Wahrheit und Wodka verhaftet wird, lüftet sich der Deckel langsam, der die Vergangenheit des Polizisten beinhaltet: Einst lebte Onno mit seiner Mutter zusammen und hat ihn missbraucht. Doch nicht das Verbrechen steht im Vordergrund seiner Erinnerungen, sondern die vielen positiven Erlebnisse, die er mit dem damals noch nicht abgehalfterten, aber immer schon perversen Mann hatte.

So geht es am Ende gar nicht um die Rache an einem, der Kinder missbraucht hat - sondern um die große Wut im Bauch des kleinen Mannes Leon: Er konnte nicht mit ansehen, wie dieser seinen Hund quälte, um auch ihn damit zu quälen - und hat den immens betrunkenen Onno erschlagen. Man möchte beinahe sagen: Einer musste das ja übernehmen.

Ein sehenswerter Tatort mit drei guten Hauptdarstellern und authentisch aufspielenden Kindern. Aber nach diesem im Dreck wühlenden Tatort wäre mal wieder einer aus einer normaleren Gegend angesagt.

Guten Morgen, Gruß Biene

1 Kommentar:

  1. Das war mal wieder ein sehenswerter Tatort. Einer, der keine gelackten und konstruierten Lifestyles präsentierte, sondern einer, der sich in den "Dreck" wagte.

    Dieses Wort, in distanzierte Anführungszeichen gesetzt, umschreibt für gar nicht mal so wenige Menschen deren reales Lebensumfeld. Das von ihnen, wie im Film gezeigt oft mit ganz eigener Würde und fast philsophischem Stoizismus durchschritten wird.
    Da prallt schon mal der Underdog-Pragmatismus knallhart mit der hären Ethik des bürgerlich gebildeten Kommissars zusammen. Und lächerlich wirkt dieser dabei, nicht die "Loser" aus Gaarden.

    Das ist das Großartige an diesem Tatort, dass hier nicht abgründiges Elend zur Primetime vorgeführt wird, sondern differenziert und schonungslos ja mitleidslos ehrlich das "Leben ganz unten" dokumentiert wird.

    Dabei behalten die Protagonisten ihre Würde und sogar der Berührungsphobiker Borowsky kann am Ende nicht anders als den ketchupverschmierten verstörten klienen Leon wirklich und echt in die Arme zu nehmen.

    Überhaupt war es eine Freude zu sehen, wie oft und locker die Gaardener Gören den feinen, intellektuellen Borowski auflaufen und verdattert stehen liessen, vollkommen unbeeindruckt von dessen Amt und Würden.

    "Sind sie von der Geschmackspolizei?" blaffte Teenie Timo den Kommissar an, als er bemerkte wie abschätzig dessen Blick über das verwahrloste Wohnzimmer glitt - touché, da guckte der Polizist erstmal betreten.

    Auch das machte diesen Tatort spannend: Dass hier Parallelwelten grell ausgeleuchtet wurden, nebeneinander präsentiert ohne weichzeichnerische Übergänge, als das was sie sind: Radikale Brüche. und die gibt es auch bei uns, das war mehr als ein Film: Die Kinder von Gaarden sind auch die Kinder der Armutsviertel anderer deutscher Städte.

    Bin mal wieder sehr eins mit meinem Sonntagsprogramm, liebe Grüße aus Orkanland Susi, die fast vom Winde verwehte

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