Samstag, 2. September 2023

2. September 2023 Charlie und Momo: Erinnerung und Gegenwart




Charlie und Momo - Erinnerung und Gegenwart

Charlie war der Beste, der mir passieren konnte. Er war keine Herausforderung in keiner Hinsicht, sondern ein Hund aus dem Tierheim, der von seinen Vorbesitzern dermaßen geknechtet worden ist, dass er sich selber nur als sehr, sehr kleines Lichtlein gesehen hat.

Für mich war er der große Lichtschein und die Sonne, selbst, wenn sie nicht geschienen hat. Er war der Hund, der niemals gebellt hat - außer in seinen Träumen -,

und der, der es gewohnt war, seine Geschäfte auf dem Balkon zu verrichten, weil man ihm das in der Vergangenheit antrainiert hat  - und das blieb auch so, obwohl ich während unseren 17 Monaten ständig mit ihm unterwegs war.  Der kleine Kerl kannte es nicht anders als er zu mir kam. Er war der Hund, der schwer herzkrank war, und in dessen Vergangenheit ich nicht

gewühlt habe, die mir aber wie von selber zugeflogen kam (vor allem durch eine ausführliche persönliche Nachricht im Facebook-Messenger):

Er lebte zuletzt bei einem demenzkranken Mann, dessen Frau verstorben war. Dort hatte er 2016 sein mindestens 2. Zuhause gefunden.

Allerdings hat ihn auch die bis fast zu ihrem Tod wohl relativ fitte Frau meistens nur in einen Miethaus-Garten gelassen, denn er kannte mit seinen - als er zu mir kam - 11 Jahren rein gar nichts, was einen Hund ausmachen  und ihm Traumaterial beschaffen konnte.

Charlie hat sich nicht für andere Hunde interessiert. Für die meisten Menschen auch nicht. Mit zum Glück einer großen Ausnahme von seinem Kopf-Regelwerk hat er sich für mich interessiert. 17 Monate haben wir mit täglicher Hilfe dreier Medikamente seiner Herzerkrankung getrotzt, und wir hatten mehr als nur einen Schimmer vom Glück miteinander gefunden ... 

und schwerer für mich als für ihn (da bin ich sicher) war der letzte gemeinsame Gang in eine Tierklinik, der ihn in den Tod geführt hat (er durfte währenddessen in seinem Buggy liegenbleiben, den er gut kannte):

Nach der letalen Spritze hat es etwa 20 Minuten gedauert, bis er mich für immer verlassen hat. Ich bin nicht weggelaufen vor diesen Minuten, ich war dort, wo ich sein sollte - und wo die Menschen, denen er vorher vertraut hatte, nicht mehr sein konnten.

Der demenzkranke Mann hatte Charlie nur schwer und viel zu spät losgelassen - allein durch die Fürsprache einer Nachbarin gelang es, ihn ins Tierheim und

letztendlich zu mir zu bringen.

Wenn man einem Menschen alles wegnimmt ... ist das sicher eine Katastrophe. Aber es geht im Endeffekt nicht allein und ausschließlich um diesen einen Menschen, sondern auch um das Wohl seines Tieres:

Charlie ist hier aufgeblüht und hat zu seiner Freude zurückgefunden ... und dann hat er abgebaut, ziemlich plötzlich, ziemlich unerwartet ...



Momo 

ist in etwa das genaue Gegenteil von dem Buddhisten Charlie. Buddhist meine ich ohne eigenen religiösen Hintergrund, obwohl es eine bessere und reinere Religion als den Buddhismus nicht gibt.

Wie Charlie ist Momo verträglich mit sowohl Rüden als auch Hündinnen, was sie aber nicht davon abhält, beiden Geschlechter-Kumpeln ihre Meinung entgegenzubellen, obwohl sie bei entsprechender Resonanz sofort einen Rückzieher macht und den kleinen bis größeren Fluchtweg wählt.

Sie ist die große Abenteuerin, die man nur schwer in ihre Schranken weisen kann, denn sie hat die eigenen Ideen in ihrem Kopf, die man Charlie vermutlich in Bezug auf allzu viele menschliche Einfälle und Einflüsse  abgewöhnt hatte.

Sie ist wild und auch oft ungehorsam, wo er nur folgsam war, ohne dass man ihn daran erinnern musste, weil er es eben nicht anders gekannt hat. Sie ist nicht mehr jung - aber um vieles jünger als Charlie es war, als er zu mir kam - und jung genug, dass sie noch einmal von vorn durchstarten kann.

Sie ist meine Herausforderung, während ich die Herausforderungen, die Charlie an sein Dasein gestellt wurden, ein bisschen versucht habe, wieder gerade zu rücken. Es ist mir nie gelungen,

dass Charlie auf die Couch oder gar ins Bett gesprungen ist.

Momo springt gerne auf alles, um ihren Menschen nahe zu sein. In so einige Menschen ist sie geradezu vernarrt. Charlie wäre gern meinem Mann und mir nahe, ganz nahe gekommen - das habe ich gemerkt - aber man hat es ihm in seinen jüngeren und späteren Jahren nicht erlaubt. 

Momo hat man in früheren Zeiten überhaupt nichts abtrainiert: Sie musste lernen, zur Ruhe zu kommen. Und das hat sie inzwischen gelernt. Immerhin gilt der Pudel-Anteil in ihr als der zweitintelligenteste Hund überhaupt, den im übrigen nichts so leicht von der Couch wirft. Und der einen ziemlich eigenen Kopf hat.


Zwei absolut unterschiedliche Hunde

... denn mehr Unterschiede als die zwischen Charlie und Momo kann es zwischen zwei Hunden nicht geben.

Im Traum sehe ich beide nebeneinander laufen bzw. Charlie gemächlich gehen und Momo flitzen: und nach dem Aufwachen weiß ich,

dass Charlie lebensfroh war und Momo lebensfroh ist, und

Charlie zeigt Momo, wie man einen Gang runterschaltet, während sie ihm zeigt, wie man den ultimativ höchsten Gang einschaltet. Leider haben die beiden sich nie kennengelernt ... sonst hätte einer vom anderen profitieren können.


Meine Wahl ...

für Charlie hat eigentlich die Tierpflegerin Barbara aus dem hiesigen Tierheim für ihn und mich getroffen. Nach seinem Tod hat sie mir telefonisch kondoliert. Und ich hatte aus Traurigkeit die vorschnelle Idee, dass mir niemals mehr ein anderer Hund ins Leben kommt.

Aber wie das Leben spielt, ist nichts für immer festgemauert, sondern flexibel und höchstens auf einen größeren oder kleineren Zeitraum fixiert. 

Ich habe die Seite des Tierheims Duisburg aus Gewohnheit nicht aus den Augen verloren: und Momo gesehen. Eine schwarze Hündin,

so wundervoll schwarz, dass ich dachte, dass sie vermutlich längst in der Vermittlung ist. So schwarz, dass ich immer wieder auf diese schwarze Schönheit zurückgekommen bin - aber vor allem und viel mehr als auf ihr Äußeres bin ich auf die Beschreibung ihres Wesens angesprungen.

Das hat mich mitgenommen, meinetwegen auch abgeholt, und als ich nach der Kontaktaufnahme den 1. Termin im Tierheim hatte, hat

Barbara mir gestanden, dass Momo ihr Tierheim-Liebling ist.

Dem konnte ich mich schnell anschließen, ohne all die Hunde zu kennen, die ebenfalls die Lieblinge

von anderen Menschen sein könnten oder sind.

Was ist Liebe? Liebe ist, wenn man – ach was! Liebe ist Liebe.
- Erich Mühsam (1878 - 1934 (ermordet im KZ Oranienburg)


Die Bilder gleichen sich: mein jeweils erster Spaziergang nach dem Kennenlernen im Tierheim mit Charlie und mit Momo:






Guten Tag, Gruß Silvia



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